Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
nachsehen können, aber dann hätte er Alexandra aus den Augen lassen müssen. Er brachte es nicht fertig.
Das Geraschel hinter sich spürte er mehr, als dass er es hörte. Er wollte sich umdrehen, doch da presste sich schon etwas Hartes an seinen Hinterkopf, und er hörte das metallische Klick! , mit dem der Hammer einer Pistole gespannt wurde. Der Schock traf ihn wie ein Guss Eiswasser.
Klick!
Großer Gott, eine zweite Pistole.
Halb kauernd, halb auf den Knien liegend, streckte er die Hände seitlich aus, um dem Bewaffneten anzuzeigen, dass erkeine Schwierigkeiten machen würde. Über seinen Körper lief ein Prickeln, das ihn keuchen ließ. Er spürte förmlich, wie zwei Finger sich über zwei Abzugshebeln krümmten. Auf diese Entfernung würde ein Schuss seinen Kopf zerschmettern wie ein rohes Ei. Seine Gedanken hätten hektisch rotieren sollen, um einen Ausweg zu finden, doch stattdessen schienen sie stillzustehen.
Der Druck des ersten Pistolenlaufs verschwand. Er hörte das Geraschel, mit dem jemand hinter ihm einen Schritt zurücktrat. Er nahm es als stumme Aufforderung, sich umzudrehen. Er erkannte, dass er es auf den Knien würde tun müssen, wenn er nicht den Mut fand, aufzustehen, und die Scham gab ihm genügend Kraft, auf die Beine zu kommen. Er konnte nicht verhindern, dass er unwillkürlich den Kopf einzog, bis seine Schultern sich verkrampften, aber er stand. Die Furcht, dass man ihn in den Hinterkopf schießen würde, machte der Angst Platz, die Kugel zwischen die Augen zu bekommen, sobald er sich ganz umgedreht hatte. Er hörte sich stöhnen und schämte sich dafür, dass er es nicht unterdrücken konnte. Verzweifelt bemüht, die Kontrolle über seinen Instinkt zu behalten, der ihm riet, einen plötzlichen Fluchtversuch zu wagen, drehte er sich um.
Er starrte fassungslos.
19
»Kassandra!«
Heinrich roch sich selbst. Er schwitzte und war außer Atem, und was an ihm nicht nach Schweiß stank, stank nach Rauch von dem Feuer, das er mit anzuzünden geholfen hatte, als die eingeschüchterten Dienstboten nicht schnell genug gewesen waren. Er hatte Ohrfeigen und Tritte verteilt und den riesigen Stallknecht dazu gebracht, die Arme über den Kopfzu halten und vor ihm auf die Knie zu sinken, damit er aufhörte, auf ihn einzuschlagen. Die Befriedigung darüber war schal, aber besser als nichts.
Er musterte die Tür. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass sie direkt hinter der Tür auf der anderen Seite stand, so wie er gewusst hatte, dass Alexandra in ihrer ersten Nacht auf Pernstein auf ihn gewartet hatte. Die unvermittelte Erinnerung daran, dass er mit sich hatte kämpfen müssen, um nicht zu Alexandra hineinzugehen, verwirrte ihn. Er schob sie beiseite.
»Kassandra?«
Sie schwieg. Er seufzte.
»Ich begehre Sie«, sagte er. »Wie oft soll ich Sie noch anflehen, mich zu erhören? Glauben Sie, es ändert etwas, dass Sie nicht Ihre Schwester sind? Ich begehre die Person, nicht den Namen.«
Keine Antwort. Er fuhr mit einem Finger über das Holz der Tür und stellte sich vor, er würde ihren Körper berühren.
»Kassandra«, flüsterte er. »Diana. Kommen Sie heraus, meine Göttin. Ich habe das Opfer für Sie berei…«
Er kam nicht weiter, weil etwas in seinen Rücken flog und ihn gegen die Tür rammte. Er fuhr herum und hob die Hände, um die Krallen abzuwehren. Ihr langes, aufgelöstes Haar flog ihm um die Ohren, und Spucke spritzte in sein Gesicht. Ihre Hände waren wie rasend und versuchten, ihm die Augen auszukratzen. Er hörte sie stöhnen: »Gnnnnh! Gnnnnh!« Sie trat ihn mit Füßen, dass er es durch die Stiefel spürte. Die Tür knarrte in ihrem Rahmen, als er versuchte, sich davon abzudrücken, und von ihrer schieren Wut wieder dagegengerammt wurde. Er bekam ein Handgelenk zu fassen und packte es, so fest er konnte. Sie schlug die Zähne in seinen Handrücken. Er schrie auf. Es gab nur eine Chance, die Rasende loszuwerden. Er schlug zu.
Sie flog an die gegenüberliegende Wand und rutschte daran herunter wie eine Tote.
20
Sie schlug die Augen auf, als er neben ihr niederkniete und ihren Kopf hob. Das Mal in ihrem Gesicht zuckte, und das Grün ihrer Augen war vor dem Rot ihrer Haut noch intensiver als sonst. Er war so sicher gewesen, sie hinter der Tür zu spüren, dass er unwillkürlich den Kopf wandte und zurückschaute. Es wurde Zeit, aus dieser verwunschenen Festung zu entkommen, bevor er hier verrückt wurde.
Der Übergang vom Schock zur Wut war so heftig wie bei einer Raubkatze.
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