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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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ihre Positionen zurückkehrten. Es gab immer noch die Möglichkeit eines versteckten Fluchtwegs, den man umgekehrt auch verwenden konnte, um in die Burg einzudringen, aber ob der Mann mit dem grobporigen Säufergesicht, den sie bei der brennenden Hütte gefangen hatten, in der Lage war, sie dorthin zu führen, war zweifelhaft.
    Er warf ihm einen Seitenblick zu. Der Bursche rang mühsam nach Luft. Sie hatten ihn geknebelt, und offenbar war seine Nase zu sehr zugewuchert, als dass sie ihm viel nützte beim Atmen. Andrej fragte sich, ob er es riskieren sollte, ihm den Knebel abzunehmen. Wenn er schrie, waren sie alle verloren. Sein eigenes Schicksal war dabei höchst ungewiss, aber man konnte nie ausschließen, dass seine Loyalität zur Burg größer war als die Angst um sein eigenes Leben.
    Sie bewegten sich so langsam durch das hohe Gras, als liefen sie auf Scherben. Andrej und der Gefangene gingen voran, dahinter kamen Vilém Vlach und seine Männer. Die Grillen hörten ein paar Schritte vor ihnen auf zu lärmen und begannen wieder, sobald sie sie passiert hatten. Der mächtige Felsen Pernsteins strahlte Kühle aus, dennoch war es heiß und stickig. Das tote Gras Dutzender Jahre wallte als Staub auf und biss in der Kehle. Der Atem des Gefangenen pfiff in seiner Nase, und sein Brustkorb hob und senkte sich krampfhaft. Andrej lehnte sich zu ihm hinüber.
    »Ich nehme dir den Knebel ab, wenn du dich still verhältst«, flüsterte er.
    Die blutunterlaufenen Augen zuckten zu ihm hinüber. Der Kopf nickte so heftig, dass Schweißtropfen herumflogen.
    Andrej lockerte das Tuch. Der Mann holte mit großen Schlucken Atem und schüttelte sich wie ein nasser Hund.
    Und rannte plötzlich los.
    Einer von Vlachs Männern riss seine Muskete hoch, aber Andrej packte den Lauf und drückte ihn nach unten. Wenn sie hier schossen, hatten sie in Sekundenschnelle die ganze Burg am Hals. Er fluchte in sich hinein und trat das Gras hektisch nieder auf der Suche nach einem Stein. Der Gefangene sprang mit seinen gefesselten Händen über das Gras wie ein Ziegenbock, von seinem Vorwärtsschwung eher auf den Beinen gehalten als durch seine eigene Geschicklichkeit.
    Ein Mann stand plötzlich im hohen Gras, dort, wo der Gefangene hinflüchtete. Er hatte einen altertümlichen Bogen gespannt, und die Pfeilspitze zielte auf den laufenden Mann. Der Flüchtling schlug einen entsetzten Haken.
    »Stehen bleiben!«, zischte der Bogenschütze.
    Der Gefangene schlug einen erneuten Haken, um den Mann zu umrunden. Die Sehne schlug lautlos gegen den gepolsterten Unterarm des Schützen. Der Gefangene machte den höchsten Sprung, den er bisher vollführt hatte, und fiel dann ins hohe Gras. Andrej hatte noch die Vision eines langen Pfeils, der dem Flüchtenden auf der einen Seite des Halses genauso weit herausstand, wie er auf der anderen eingedrungen war, dann sah er nichts mehr. Es war so schnell gegangen, dass er nicht einmal Zeit gefunden hatte zu reagieren. Verspätet fuhr er herum.
    In einem weiten Kreis um sie herum erhoben sich Männer aus dem hohen Gras. Jeder einzelne hatte einen Bogen gespannt und zielte auf ihre kleine Gruppe. Die Pfeile reichten aus, um sie alle zweimal zu töten.
    Andrej hob die Hände.
    18
    Wenzel kämpfte mit sich , ob er zu der Stelle zurückkehren sollte, an der er und Agnes vereinbart hatten, sich zu treffen. Aber angesichts der Entwicklungen der letzten Minuten konnte er den Gedanken nicht ertragen, seinen Beobachtungsposten zu verlassen.
    Es reichte, Zeuge geworden zu sein, wie die Frau, die man liebte, beinahe vor seinen Augen zu Tode gestürzt war, um einen an dem Ort festzunageln, an dem man dem Geschehen am nächsten war.
    Und im Kopf ein heftiges Gedankenchaos zu veranstalten, was man tun konnte, um sie zu retten.
    Es war überraschend leicht gewesen, sich der Burg zu nähern. Die wenigen Pächter, die entlang der Straße ihre Felder bewirtschafteten, hatten nur die Köpfe abgewandt und so getan, als wären sie in ihre Arbeit vertieft. In den Weilern, die aus zwei oder mehreren Bauernhöfen bestanden und durch die die Straße führte, waren die Kinder in die Hütten geflüchtet; die Hunde hatten sie aus sicherer Distanz verbellt. Die Atmosphäre war die eines Landes, in dem die Angst so groß geworden war, dass man in ihr festsaß wie in einem Brunnenschacht und nicht mehr herausschauen konnte. Zuletzt hatten sie die Straße verlassen und die Pferde in einem kleinen Heustadel abseits des Weges angebunden. Der Heustadel

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