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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Sie musste an der Brüstung in sich zusammengesunken sein und hatte sich mit den gefesselten Händen nicht mehr aufrichten können. Der Strick hatte begonnen, sie zu strangulieren.
    »O mein Gott, Alexandra!«
    Er sprang auf und riss an dem Knoten, der den Strick am Tragpfosten des Dachs festhielt, doch er saß zu stramm. Seine Blicke fielen auf ein Messer, das jemand in die Brüstung gerammt haben musste. Er riss es heraus und sägte den Strick durch. Alexandra sackte in sich zusammen. Er warf das Messer weg und zog an dem zweiten Knoten in ihrem Nacken. DieSchlinge löste sich. Alexandra holte würgend Luft und fiel nach vorn. Er fing sie auf. Sie hustete und würgte krampfhaft, dann begann sie zu schluchzen. Er zog sie an sich.
    »Sie sagte, er solle mich bei lebendigem Leib ausweiden«, stammelte Alexandra. »Ich sah in seine Augen, und einen Moment lang war ich überzeugt, dass er es tun würde. Doch dann rammte er das Messer nur … das Messer nur …« Ihr Schluchzen schüttelte sie so, dass Wenzel Mühe hatte, sie festzuhalten.
    »Wir müssen hier weg«, sagte er drängend. »Es gibt einen Weg durch den Turm. Ich …« Er zerrte an ihr. Sie mühte sich ab, auf die Beine zu kommen. Dann riss sie die Augen vor Entsetzen auf.
    Wenzel fuhr herum. Eine Frau in Weiß stand am Anfang der Brücke. Ihr Haar war zerzaust, aber ihr Gewand war so makellos, als habe sie es eben erst angezogen. Ihr Gesicht war eine wüste Landschaft aus weißer und roter Schminke, als habe sie sie in aller Hast und mit fliegenden Händen aufgetragen. Etwas lugte unter der Schminke hervor wie ein Feuermal. Doch selbst in diesem Zustand leuchtete ihre Schönheit noch durch die Verwüstung wie ein Lichtreflex von einem Diamanten.
    Er schaute an ihr herab. Sie hielt die Armbrust, die er weggeschoben hatte. Der Bolzen zielte auf Alexandra. Der Daumen der weißen Frau senkte sich.
    Wenzel packte Alexandra und wirbelte sie herum. Es gab nur diese Chance.
    Den Knall hörte er nicht, den Einschlag spürte er nicht. Er spürte nicht einmal, wie er gegen Alexandra geschleudert wurde und dann vornüberfiel. Er hörte Alexandra schreien, dann wurde alles dunkel.
    25
    Auf der Brücke fand ein Kampf statt. Es sah aus, als ob jemand mit einem Engel ringe. Dann klärte sich Cyprians Blick, und sein Herz setzte aus. Er konnte sich denken, wer der Engel war; die andere Gestalt kannte er in- und auswendig. Es war Alexandra.
    Es war Alexandra, und der weiße Engel drängte sie über die Brüstung und versuchte, sie in die Tiefe zu stürzen.
    Cyprian machte einen Schritt auf den Eingang der Burg zu, obwohl er wusste, dass er zu spät kommen würde.
    Ein Schuss peitschte hinter ihm auf. Er stolperte. Der Kampf oben auf der Brücke geriet ins Stocken. Er sah ein weißes Gesicht, das sich nach unten wandte. Mühsam drehte er sich um.
    Zwei der alten Weiber hielten die Teufelsbibel zwischen sich. Neben der größeren der beiden lag eine abgefeuerte Pistole. Cyprian war sicher, dass es die Waffe war, mit der Heinrich den Kampf im Zweifelsfall für sich hatte entscheiden wollen. Die Frauen hielten das schwere Buch in gebückter Haltung, aber es gab keinen Zweifel, dass sie es schaffen würden, es ins Feuer daneben zu wuchten.
    Von oben erklang ein heiserer Schrei: »Nein!«
    »Lass meine Tochter los, sonst verbrennt das Ding!«, schrie die größere der beiden alten Weiber. Cyprian traute seinen Ohren nicht, als er Agnes’ Stimme erkannte.
    Alexandra kreischte erschrocken auf. Nur der Umstand, dass ihre Gegnerin sie festhielt, trennte sie vom Sturz in den Abgrund.
    »Leg die Bibel auf den Boden, oder die Schlampe fällt!«, rief der weiße Engel.
    Cyprian verließen die Kräfte. Er setzte sich schwer in den Staub. In der plötzlich entstandenen Stille war nur das Prasseln des Feuers zu hören und dann ein leises, trockenes Lachen.
    26
    » So viel Leid wegen eines wertlosen Buchs«, sagte eine brüchige Stimme, der man anhörte, dass ihr Besitzer nicht mehr ganz von dieser Welt war.
    Cyprian kroch auf allen vieren zu einer der umgekippten Bänke und zog sich daran in die Höhe. Sein Blick fiel auf den Mann in der schäbigen Priestersoutane, der unterhalb der Brücke lag.
    »Es ist nicht wertlos!«, schrie die Frau auf der Brücke.
    »Das konnten Sie nicht voraussehen, Kassandra, oder? In vielen Dingen haben Sie Ihrer Namenspatin alle Ehre erwiesen, aber das konnten Sie nicht voraussehen.«
    Von oben ertönte Schweigen. Cyprian machte sich mit wackelnden Knien auf

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