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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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immer nervöser und immer aggressiver.«
    Andrej hörte zu. Er konnte nicht verhindern, dass ihm ein leiser Schauer über den Rücken rieselte. Das Arbeitszimmer des Kaisers war ein großer Raum mit zugezogenen Vorhängen, in dessen Ecken Schatten lagen. Die Laterne auf dem Tisch flackerte in einem leisen Luftzug, den man nur wahrnahm, weil er einem fast unmerklich Hände und Füße kalt werden ließ. Draußen, jenseits der zugezogenen Vorhänge, war ein warmer Frühlingstag, aber hier drinnen herrschte tiefer Winter.
    »Schließlich führten sie die Pferde so lange am Zügel zurück, bis diese sich beruhigt hatten. Das war das merkwürdigste Phänomen, das die Herren je erlebt hatten, und das Beunruhigendste daran war, dass sie selbst sich auch plötzlich leichter fühlten. Es war, als sei ein unangenehmer Geruch, den man weniger mit der Nase als mit dem Sinn wahrnimmt, erstorben. Als sei ein langsamer, dumpfer Trommelschlag, der einem die Eingeweide vibrieren lässt, auf einmal nicht mehr hörbar.«
    Andrej sah den Stadtrichter bestürzt an.
    »So war es doch, Euer Gnaden, oder nicht?«
    »So hat man es mir berichtet«, sagte Karl von Žerotín.
    »Haben Ihre Gäste es so gesagt? Das mit dem Vibrieren?«
    »Äh …?« Der Landeshauptmann schien befremdet über Andrejs unerwarteten Ausbruch.
    »Ein Pochen? War es nicht eher ein Pochen, Euer Gnaden? So wie der langsame Schlag eines mächtigen, bösen Herzens, das halb aus dem eigenen Leib zu kommen scheint und halb aus einem Land jenseits unserer Vorstellungskraft? So als dränge sich eine andere Präsenz auf einmal in unser eigenes Sein?«
    Die vier Männer rund um den Tisch starrten Andrej befremdet an.
    »Ein Pochen, das an Kraft zunimmt, wenn unsere Gedanken sich mit Gewalt befassen? Haben Ihre Gäste ans Töten gedacht? An den Fangstoß für ein mit dem letzten Atem um sein Leben kämpfendes Tier?«
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte der Bürgermeister.
    »Bitte«, sagte Vilém Vlach.
    »Wir sollten uns an die Fakten halten«, meinte der Stadtrichter hörbar irritiert.
    Andrejs Augen ließen die Blicke des Landeshauptmanns nicht los. Karl von Žerotín schien nachdenklich. »Nicht mit so vielen Worten«, sagte er schließlich. »Aber ich bin überzeugt, das haben sie gemeint.«
    Die Blicke des Richters, des Bürgermeisters und Vilém Vlachs zuckten zwischen Andrej und Žerotín hin und her.
    »Haben Sie dieses Phänomen schon einmal selbst erlebt?«, erkundigte sich der Landeshauptmann.
    »Was ist dann geschehen?«, fragte Andrej.
    Der Stadtrichter ordnete umständlich seine Kleidung und versuchte, den Faden wiederzufinden. Er maß Andrej unter gesenkten Brauen.
    »Drei der Herren fassten sich schließlich ein Herz. Sie waren einem Trampelpfad durch das Dickicht gefolgt und hielten sich weiterhin an ihn. Keine dreihundert Schritte voraus tat sich eine Lichtung auf, in der eine Ziegenherde äste.«
    »Die Ziegen standen in einem Kreis eng beieinander, die Böcke außen, die Lämmer innen, und waren so nervös wie vor einem Unwetter«, sagte Andrej.
    Der Richter beäugte ihn noch misstrauischer.
    »Ich habe schon Ziegenherden gesehen, wenn draußen ein Raubtier herumschleicht«, erklärte Andrej. »Ich habe recht, oder?«
    Die Männer erwiderten nichts. Ihr Schweigen war Antwort genug. Der Bürgermeister und der Stadtrichter brieten Vilém Vlach mit Blicken, die laut und deutlich sagten: Was hast du uns denn da angeschleppt? Allein der Landeshauptmann betrachtete Andrej mit großem Interesse.
    »Am Rand der Lichtung«, sagte der Stadtrichter nach einer Weile, »entdeckten sie Komár …«
    »… und sein Opfer«, krächzte der Bürgermeister.
    »… und die junge Frau«, verbesserte der Stadtrichter. Der Bürgermeister sandte einen aufgebrachten Blick zur Decke. »Sie war tot«, fügte der Stadtrichter ergänzungshalber an.
    »Er hat sie umgebracht, das ist doch klar«, sagte der Bürgermeister.
    »Ich bin nicht mehr so sehr in der Gnade des Kaisers wie früher«, sagte der Landeshauptmann leise. »Ich fürchte, ich werde bald abgelöst werden. Ich möchte das hier erledigt haben, bevor es so weit ist.«
    »Aber Sie erledigen es nicht, Euer Gnaden«, erwiderte Andrej. »Erledigt wäre die Angelegenheit nur, wenn Sie Komár freisprechen oder zum Tode verurteilen würden. Mit dem, was Sie vorhaben, schieben Sie alles nur auf. Ihr Nachfolger wird als Erstes in das Gefängnis gucken, und wenn er zu den radikalen Anhängern der protestantischen Stände gehört, rollt

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