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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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ihrem Herzen überlagerte es sich mit anderen Hilferufen, und einen Augenblick wusste sie nicht, obdie Pfiffe und das Hohngeschrei der Menge echt waren oder aus ihrer Erinnerung kamen.
    »Der Verurteilte ist katholisch. Das Opfer war protestantisch. Anders als das, was Ihr klerikaler Reisebegleiter herausgefunden hat, ist seine Schuld überhaupt nicht erwiesen – oder jedenfalls habe ich das herausgehört.« Sein Lächeln befremdete sie, bis sie sich sagte, dass er es beibehielt, um sie zu beruhigen. »Die Mehrheit hier ist katholisch. Das macht Brünn zu einer Insel in der Markgrafschaft Mähren. Man will vermutlich beweisen, dass man hart durchgreifen kann, auch wenn es um Angehörige des eigenen Bekenntnisses geht.«
    »Mit anderen Worten: Der Richter hat Angst vor der protestantischen Mehrheit um seine Stadt herum, und der Landeshauptmann redet den größten Schreihälsen das Wort.« Sie spuckte die Worte aus. Über das Pochen ihres eigenen Herzens hörte sie das Klopfen, mit dem die Pflöcke in den Boden gehauen wurden, an denen man die Hand- und Fußgelenke des Verurteilten festbinden würde. Und über diesem Geräusch wiederum vernahm sie das Gemurmel der Menge um sie herum, die sich bei der Richtstätte auf dem Wienerberg eingefunden hatte. Die Kakophonie in ihrem eigenen Gehirn machte sie schwindlig. Sie hörte das Gemurre, mit dem der Großteil der Menge erwog, ob es nicht ein unziemliches Entgegenkommen den wenigen Katholiken in Wien gegenüber war, eine Protestantin hinzurichten, nur weil sie ein katholisches Kind getötet hatte. Der Verurteilte hier schluchzte jetzt und blökte immer wieder in kaum verständlicher Sprache: Ich war’s nich’, ich war’s nich’, der Teufel war’s, ich war’s nich’ …
    »Hören Sie nicht hin«, sagte der Mann vor der Kutsche. Alexandra starrte in seine Augen. Sein Blick hielt sie fest. Ihr Herz schlug wie verrückt, und ihre Hände schwitzten. In Wien hatte sie aus der Menge flüchten wollen, aber die war zu dicht gedrängt gewesen, und ein zynisches Geschick hatte dafür gesorgt, dass sie ganz nach vorn geschoben wurde. Derschwankende Henker und die kaum sichtbare, sich windende, um ihr Leben bettelnde Gestalt in der Grube waren keine zehn Schritt entfernt gewesen. Alexandra hielt sich an dem ruhigen Blick der blauen Augen fest, an dem Licht, das halb versteckt darin zu tanzen schien und seiner Gelassenheit eine Tiefe gab, die sie zu anderen Zeiten vielleicht beunruhigend empfunden hätte.
    »Es war eine Kindsmörderin«, flüsterte sie. »Aber keiner kümmerte sich darum, dass sie es nicht absichtlich getan hatte. Das Kind war ihr zwischen die Beine gelaufen, als sie einen Topf mit kochendem Wasser vom Feuer genommen hatte, und das Wasser hatte sich über das Kind ergossen. Es kümmerte sich auch keiner darum, was die Eltern des Kindes erlitten hatten, als sie hatten zusehen müssen, wie das Kind zu Tode gebrüht wurde. Die einen wollten sie tot sehen als Sühne für das grässliche Ende des Kindes; die anderen fanden, dass ein verbrühtes katholisches Kind noch lange nicht genug war. Und die Pfaffen … die Pfaffen stritten sich über der offenen Grube.« Alexandra sah mit weit offenen Augen in die unmittelbare Vergangenheit. Die Erinnerung fühlte sich so an, als stamme sie erst von gestern, und gleichzeitig hatte sie das Gefühl, sie trage sie schon immer mit sich herum, so tief hatte sie sich eingegraben. »Es waren zwei protestantische Priester und ein katholischer Pater. Noch bevor der Scharfrichter beginnen konnte, hatten sie sich schon ineinander verbissen und schlugen mit den Fäusten aufeinander ein. Die Soldaten mussten sie erst voneinander trennen, damit der Henker weitermachen konnte.«
    »Was war die Strafe?« Seine Stimme war sanft.
    Sie hatte ihm nicht zugehört. Sie fühlte wieder die Wut in sich aufsteigen über die Geistlichen, die sich an der Hinrichtungsstätte prügelten, und die Beklommenheit, als die Menge sich entlang der Konfessionsgrenze in zwei Lager teilte und brüllte, pfiff und spottete. Das ist es, wohin die beiden Kirchen uns führen, hatte sie plötzlich ganz klar gedacht. Über den Gräbern der Unschuldigen sehen wir ihnen zu, wie sie sich schlagen, und warten nur darauf, selbst mitmischen zu können. Und einem dieser Beispiele sollen wir folgen im Leben, um die ewige Seligkeit zu erlangen?
    Von der Richtstätte hier vor den Toren Brünns drang der leiernde Gesang eines Priesters zu ihr. In wenigen Augenblicken würde die

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