Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
zufügen können. Er hatte im Eingang einer stockfinsteren Halle gestanden, einen langen Schatten über den unebenen Steinboden geworfen und versucht, nicht unter dem eiskalten Hauch aus ihrem Inneren zusammenzuzucken. Nachdem sein Auge sich an die Düsternis gewöhnt hatte, hatte er erkannt, dass seine neue Heimat eine uralte, einschiffige Kirche war, an deren Wänden die Wasserflecken mit den Überresten von Fresken um die Vorherrschaft stritten, ein leerer Raum mit einem völlig im Dunkel verschwimmenden Altar. Er hatte den Blick gesenkt und verstanden, was der Camerlengo gemeint hatte, als er zum Abschied zu Filippo gesagt hatte: »Santa Maria in Palmis? Ich beneide dich, mein Sohn – du trittst in die Fußstapfen des Herrn.« Der Camerlengo hatte ein spöttisches Lächeln unterdrückt.
In den Kirchenboden nahe dem Eingang war eine Bodenfliese eingelassen, in der zwei Fußabdrücke zu sehen waren. Sie stammten von Jesus Christus, wie es hieß. Filippo, der sich in den wenigen Tagen zwischen seiner Abordnung und seinem Abschied aus dem Vatikan gründlicher über seine neue Gemeinde informiert hatte, als es der Camerlengo jemals tun würde, wusste, dass es nur die Kopie einer Platte war, die sich ein paar Steinwürfe weit entfernt in San Sebastiano fuori le mura befand. Sankt Sebastian vor den Mauern war vor wenigen Jahren vollständig umgebaut worden; im Zuge der Verschönerungsarbeiten hatte man die originale Platte aus Santa Maria in Palmis entnommen und dorthin geschafft. Filippo war dennoch in die beiden Fußabdrücke getreten, die so plump gestaltet waren, dass jeder Narr die Fälschung erkennen konnte, selbst wenn das Original hundertmal besser gewesen wäre als die Kopie (was es nicht war). Er hatte nichts gespürt, was zu seiner Seele gesprochen hätte.
Vielleicht – so hatte er sich in den ersten Tagen gedacht – war es dennoch ein Wink des Schicksals, dass es ihn ausgerechnet hierher verschlagen hatte. Seine Kirche hieß im Volksmund auch Quo-vadis-Kirche, denn als der aus der Stadt fliehende Petrus auf den Herrn getroffen war – angeblich genau dort, wo jetzt Filippos Kirche stand –, hatte er ihn gefragt: »Domine, quo vadis?« Und Jesus hatte geantwortet – mit einem angeödeten Unterton, wie Filippo vermutete: »Ich gehe nach Rom, um mich erneut kreuzigen zu lassen!« Domine, quo vadis ? Wohin gehst du, Herr? Wohin gehst du, Filippo Caffarelli?
Er sah zu Boden und stellte fest, dass er über die Schwelle getreten war und in den vermeintlichen Fußabdrücken des Herrn stand. Anders als Petrus, der nach der Begegnung mit Jesus umgekehrt war, um sein Schicksal zu erfüllen, hatte Filippo immer noch kein Ziel vor Augen. Ob die Stätte, auf der seine Kirche stand, geheiligt war oder nicht – Erleuchtung war ihm jedenfalls dort nicht zuteilgeworden. Er hob die Füße und stapfte weiter in die Kirche hinein, musterte die gebückten Gestalten der Beladenen, die ihre Sünden beichten wollten, voller Resignation, und setzte sich zuletzt in den Beichtstuhl.
Was die Stärke des Glaubens der einfachen Menschen betraf, hatte er die Feststellung machen müssen, dass die Verbrechen, die zu den Beichtstunden durch das Gitterfenster in seine eiskalte, winzige hölzerne Zelle träufelten, die gleichen waren, die auch die hohen Herren der Kurie verübten, nur dass Filippos Schäfchen weniger elegant dabei vorgingen: verprügelte Ehefrauen (im Fall der Prälaten: verprügelte Huren), nur dass diese kein Geschmeide als Ausgleich erhielten; dem Nachbarn vom Gürtel geschnittenes Geld (im Fall der Bischöfe: durch Urkundenfälschung unrechtmäßig angeeignetes Gut der Nachbardiözese), nur dass der Nachbar danach nichts mehr hatte, womit er seiner Familie etwas zu essen hätte kaufen können; Vergewaltigung, Sodomie und Kinderschändung. Filippo hatte schon mehr als einmal das Bedürfnis gehabt, aus dem Beichtstuhl zu stürzen und sich draußendas Herz aus dem Leib zu kotzen, bevorzugt auf den gefälschten Fußabdrücken des Herrn, und dann zu rufen: Schau herunter, Herr, und siehe – das ist die Essenz des Christentums, das, was du daraus hast werden lassen! Jetzt versuche, über den Auswurf zu wandeln wie über den See Genezareth!
Er hatte es natürlich nie getan, außer in seinem Herzen.
Als das Flüstern plötzlich in sein Ohr zischte, zuckte er erschrocken zusammen: »Confiteor Deo omnipotenti, beatae Mariae semper virgini, beato Michaeli archangelo, beato Joanni baptistae, sanctis apostolis Petro
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