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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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vor?«, fragte sie.
    »Bleiben Sie im Wagen, Fräulein. Ist besser«, sagte der Grauhaarige.
    Sie funkelte ihn an, aber er hatte sich schon abgewandt. Sie warf ihren kleinen Brüdern einen Seitenblick zu. Andreasschmatzte und stöhnte ihm Schlaf, doch keiner der beiden wurde wach.
    Pater Meinhard drängte sich zwischen das Pferd des Knechts und den Wagen. Er sah besorgt aus.
    »Wir dürfen nicht weiterfahren. Jedenfalls nicht für den Augenblick. Es wird eine Weile dauern. Sie halten uns hier fest«, sagte er, und seine Nervosität war nicht nur an seinem Gesicht abzulesen, sondern an seiner krausen Rede. »Es dauert nicht lange«, fügte er höchst überflüssig hinzu – und nach einer kleinen Pause: »Hoffentlich.«
    »Was ist denn los?«
    »Schlimme Sache«, sagte der Pater. »Bleiben Sie am besten im Wagen.«
    »Zum Donnerwetter!«, zischte sie. Die Buben zuckten im Schlaf zusammen. Alexandra erkannte, dass ihr Jähzorn lediglich die Furcht bemäntelte, die in ihr aufgestiegen war, seit sie die beiden unbewussten Handgriffe des Knechtes gesehen hatte. »Wo sind wir hier überhaupt?«
    »Direkt vor Brünn«, antwortete Pater Meinhard, dessen angespannte Miene mit seinem Körper im Widerstreit lag, der förmlich zappelte, so sehr trieb ihn die Neugier wieder davon.
    »Und warum dürfen wir nicht weiterfahren?« Sie bemühte sich, etwas von draußen zu hören, aber sie vernahm nichts, was nicht zu einem gewöhnlichen frühen Morgen gepasst hätte. Die Vögel sangen aus Leibeskräften. Eine Glocke begann zu läuten, ebenfalls nicht ungewöhnlich. Nach ein paar Glockenschlägen fiel ihr auf, dass keine weiteren Glocken einfielen und dass der einzelne Ton dünn und blechern klang, weniger wie eine Kirchen- als vielmehr wie eine Warnglocke an einem Stadttor. War ein Feuer ausgebrochen? Aber dann hätte man es riechen müssen.
    Sie wollte sich erneut Pater Meinhard zuwenden, doch der war verschwunden. Der Knecht, der sich mit seinem Pferdschützend vor den Wagen gestellt hatte, hatte es ein Stück beiseitegezogen, um dem Pater das Durchschlüpfen zu ermöglichen, und zu ihrer grenzenlosen Überraschung sah sie, dass die Straße eine ganze Strecke weiter vorn bunt vor Menschen war. Die Menge stand vollkommen schweigend da und hatte dem Wagen die Rücken zugewandt.
    »Was, zum Donnerwetter, ist hier los?«
    Der Knecht sah nachdenklich auf sie herab. Sein Pferd machte einen weiteren Schritt zurück, und sie erkannte die Rüstungen der Bewaffneten, die die Straße gesperrt hatten. Hinter ihnen und über den Köpfen der Menge sah sie jetzt die wuchtigen Stempel eines Galgens aufragen. Sie waren leer. Das Glockengeräusch hallte langsam und blechern durch das frühe Sonnenlicht.
    »Hinrichtung, Fräulein«, sagte der Knecht schließlich.
    Ein Gesicht schob sich plötzlich von der Seite in die Kutschenöffnung herein. Alexandra zuckte zurück. Der Mann zog seinen Hut und machte eine Verbeugung: Sie sah langes, dunkles Haar, fröhliche blaue Augen und einen kurz geschnittenen Bart. Als der Mann sich wieder aufrichtete, wurden seine Augen groß, und sein Lächeln erstarb. »Äh …«, sagte er gequetscht und schielte an sich herunter.
    Der Knecht hatte seinen Degen gezogen und hielt ihn so, dass man ihn kaum sehen konnte. Die Spitze der Klinge presste sich gegen die Rippen des Mannes. »Wenn der Herr einen Schritt zurücktreten würden, bitte«, knurrte der Knecht.
    Die Blicke des Mannes mit dem Hut richteten sich auf Alexandra. »Würden Sie ihm sagen, dass ich unschuldig bin?«, fragte er und grinste verkrampft.
    »Unschuldig woran?«, fragte Alexandra.
    »An allem. Na, jedenfalls an dem meisten.«
    »Treten Sie zurück, Herr!«
    Der Mann rollte mit den Augen.
    »Ich glaube, er ist harmlos«, sagte Alexandra und freute sich darüber, dass es frech und zweideutig klang. Der Knecht nahm den Degen zögernd weg, und der Mann atmete auf.
    »Ich hätte nie gedacht, dass ich eine solche Bemerkung mal als Kompliment empfinden würde«, sagte er.
    Alexandra lächelte. Der Wächter sah sie missbilligend von der Seite an, aber sie beschloss, ihn zu ignorieren. Über dem Glockenläuten wurde jetzt schwaches Geheul vernehmbar, wie das eines weit entfernten Kindes. Sie runzelte die Stirn.
    »Hätten Sie vielleicht die Güte, mir zu sagen, warum wir nicht weiterfahren dürfen?«
    Der Mann seufzte. Ihr fiel auf, dass seine Augen geradezu außerordentlich blau waren. Als er sich mit der Hand durch die Haare fuhr, bemerkte sie die gepflegten

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