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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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hinauszögerte, machte seinen Sieg köstlicher und besiegelte ihre Unterwerfung umso mehr. Er trat einen Schritt zurück und spürte ihre Enttäuschung, die ihr selbst vermutlich kaum bewusst war.
    »Stellen Sie sich vor«, sagte er und machte eine weit ausholende Armbewegung, »alles glänzt und blitzt hier. Die Goldbeschläge sind poliert, die Farben der Fresken schimmern voll und frisch. Von den Wänden hängen Gobelins, von den Deckenbalken Fahnen mit den Wappen der Stände, dazwischen das des Königs von Böhmen als das größte unter ihnen. Dort drüben ist ein Podium, auf dem Musik spielt. Vor den Fenstern stehen Tische mit Köstlichkeiten, in der Menge laufen Zwerge herum und balancieren Silberschüsseln mit Konfekt auf ihren Köpfen, bequem in Reichweite der Festbesucher. Der Boden duftet von der dicken Lage Heu, Gras und Blumen, dazwischen der scharfe Geruch der Pferde …«
    »Pferde?«, unterbrach sie ihn erstaunt.
    »In diesem Saal wurden Turniere durchgeführt«, erklärte er. »Hinter der Doppeltür dort führt eine Rampe auf das Niveau des Burghofs hinab. Man hat sie anbringen lassen, damit man die Rösser in den Saal bringen konnte.«
    »Mein Onkel hat mich einmal in die Burg mitgenommen, als Kaiser Rudolf noch lebte«, sagte sie. »Seitdem träumte ich davon, wieder einmal hierherzukommen, aber meine Eltern fanden nie eine Gelegenheit.« Ich weiß, dachte Heinrich, ich weiß. Und warum fanden sie nie eine Gelegenheit? Weil sie nicht wussten, dass du diesen Wunsch hattest. Weil du deine Wünsche nie äußerst, denn ganz tief in deinem Inneren bist du überzeugt, dein Umfeld könne dir deine Wünsche von der Stirn ablesen. Aber das kann niemand – außer einer: ich selbst.
    Er fand es schwer, sein Lächeln nicht in ein siegessicheres Grinsen umschlagen zu lassen. Du gehörst mir, formulierte er in Gedanken und war aufs Neue überrascht, dass diese Überzeugung nicht das Bild eines sich windenden, geschundenen Körpers in ihm wachrief, sondern ein aufgelöstes, schweißgebadetes Gesicht, das sich an seine Schulter schmiegte und ihn bat, sein Wunder noch einmal zu wirken. Er bewegte sich unruhig, weil ihm die Schamkapsel wieder zu eng wurde.
    »Sagen Sie mir, was Sie besichtigen wollen, und ich führe Sie herum.«
    »Dürfen Sie das?«
    Er grinste sie an. »Nein«, sagte er.
    »Oh!«
    Er breitete die Arme aus. »Ich bin Ihr Ritter, Fräulein Khlesl, wussten Sie das nicht? Wo ist das Kreuz, an das man mich nageln soll, wenn es Ihnen hilft? Wo ist der Drache, den ich besiegen darf, um Sie zu retten?« Er drehte sich einmalum sich selbst, deklamierend wie ein Komödiant und mit geschlossenen Augen. Sie lachte hell auf. »Wo ist der Feind, in dessen Lanzen ich mich stürzen muss, um Ihnen zu impo…«
    »Was, zum Teufel, tun Sie hier?«, erklang eine Stimme. Heinrich hielt in seinen Pirouetten bestürzt inne und spähte zur Tür.
    Der Mann war in Begleitung zweier auf den ersten Blick als Schreiber erkennbarer Trabanten; er selbst war groß und füllig. Sein Kopf quoll aus dem Spitzenkragen, zeigte einen kurz geschorenen Backen- und einen üppigen Knebelbart mit aufgedrehten Spitzen und endete in einer hohen Stirn mit einer lächerlichen Haartolle. Heinrich stemmte die Fäuste in die Hüften.
    »Wer, zum Teufel, will das wissen?«, fragte er zurück. Er warf Alexandra einen Seitenblick zu. Ihre Stirn war gerunzelt, als sie versuchte, über die Länge des düsteren Saals hinweg zu erkennen, wer da gekommen war. Es schien fast, als habe sie eine Ahnung, um wen es sich handelte.
    »Ich bin Wilhelm Slavata, Landrichter von Böhmen, Burggraf von Karlstein und Statthalter von König Ferdinand«, sagte der Mann mit der Tolle. »Und wer sind Sie?«
    »Ich bin Kaiser Rudolfs Geist«, sagte Heinrich. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Alexandras Kopf herumschnappte. »Haben Sie eine Kette für mich, mit der ich rasseln könnte?«
    Über die Distanz hinweg sah er, wie Slavatas Unterkiefer herabfiel. Er sprang zu Alexandra hinüber, packte sie an der Hand, und gemeinsam rannten sie zum anderen Ausgang des Saals hinaus, schossen an der Georgsbasilika vorbei die flach abfallende Gasse hinunter, wie verrückt kichernd, bogen vor dem Osttor links ab und stolperten um die Ecke des Georgskonvents außer Sicht des alten Königspalastes, wo Alexandra keuchend und lachend stehen blieb.
    »Kommen Sie meinetwegen nun in Schwierigkeiten?«, fragte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war.
    Heinrich schüttelte den Kopf. »Wer

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