Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
Khlesl.«
    Als er sich von dem Dienstboten die Stiefel wieder an die Füße zwängen ließ, dachte er darüber nach, dass es nicht leicht war, der Frau, mit der man so viele gemeinsame Jahre verbracht hatte, etwas vorzumachen. Sie ahnte, dass ihm etwas aufgefallen war. Er ist schön wie ein Engel , hatte die Magd über den Mann gesagt, an den Alexandra offenbar ihr Herz verloren hatte. Vermutlich war es ihr selbst nicht ganz klar gewesen, aber tatsächlich hatte es sich angehört, als wollte sie zuerst sagen: Er ist schön wie der Teufel. Cyprian glaubte daran, dass in den meisten Menschen ein Instinkt saß, der klüger war als ihr Verstand und der sie Dinge erkennen ließ, die ihr Hirn niemals wahrnahm. Er stampfte mit den Füßen auf den Boden, um den Stiefeln einen besseren Sitz zu verleihen. Hatte er nicht die ganzen letzten Wochen das Bedürfnis gehabt, über seine Schulter zu blicken, weil er fürchtete, der Teufel wäre ihm und seinen Lieben auf den Fersen? Hatte er in die falsche Richtung geblickt? Hätte er in das Herz seiner Familie sehen sollen, um zu erkennen, dass der Teufel dort schon angekommen war? Er fühlte einen Stich, der ihn die Zähne zusammenbeißen ließ. Alles Aberglaube, schalt er sich, du bist schlimmer als ein altes Waschweib! Und fragte sich gleichzeitig, ob es auch an seinem Aberglauben lag, dass er den letzten Satz von Agnes wie ein Lebewohl empfunden hatte.
    Mit einer Beklommenheit, die er noch selten in seinem Leben gespürt hatte, öffnete er die Tür.
    Melchior Khlesl stand draußen, eine Hand erhoben, um die Tür aufzustoßen. Er sah aus, als habe er den Leibhaftigen gesehen.
    5
    Kardinal Melchior hatte das Gefühl, dass die Ereignisse um ihn herum ein reißender Fluss waren, und er versuchte, sich an einem Stein festzuhalten und nicht davongespült zu werden. »Ich habe Andrej bereits informiert!«, keuchte er.
    »Ich dachte, du bist in Wien und feierst den Friedensschluss mit Venedig?«
    Melchior packte Cyprian am Brustteil seines Mantels. »Wir dürfen keine Zeit verlieren!«
    »Du hast keine Kopfbedeckung auf«, erklärte Cyprian. »Du wirst dir noch den Tod holen.«
    »Pfeif auf den Tod«, sagte Melchior. »Es gibt Schlimmeres zu befürchten. Und pfeif auf den Frieden mit Venedig – er ist vergebens, wenn wir jetzt versagen.«
    Cyprian schwieg. Melchior erwiderte den Blick aus den kühlen blauen Augen; sein Herzschlag beruhigte sich. Er erkannte, dass er Cyprian immer noch am Mantel gepackt hielt, und ließ ihn los. Der schwere Stoff war zerknittert. Melchior tätschelte ihn und machte einen schwachen Versuch, ihn glatt zu streichen. Unvermittelt wurde Melchior bewusst, dass er zu seinem Neffen hochschauen musste. »Als wir zum ersten Mal gegen die Teufelsbibel kämpften, war ich so alt wie du jetzt«, sagte er unwillkürlich.
    »Ja«, sagte Cyprian. »Und heute fühle ich mich so alt, wie du damals ausgesehen hast.«
    »Ich wollte nicht, dass wir dieses Los einmal tragen müssen. Wenn ich es vorausgesehen hätte …«
    »Uns war immer klar, dass wir nur eine Schlacht gewonnen haben, nicht den Krieg. Den Krieg gegen das Böse kann man nicht gewinnen. Man kann immer nur kämpfen, das ist alles.«
    »Cyprian, wir sind jetzt die Wächter der Teufelsbibel. Ist dir das nicht klar? Seit Wolfgang Selender die sieben Kustoden nicht mehr ersetzt hat, liegt es an uns!«
    Melchior sah, wie die Erkenntnis durch Cyprians Gesicht flackerte. Ihm wurde klar, dass sein Neffe sich dies noch nicht bewusst gemacht hatte. Ihm selbst, Kardinal Khlesl, war die Erkenntnis wie ein Berg aus Eis in die Seele gesunken, als sie vor wenigen Wochen nach ihrem Besuch in Braunau aufgebrochen waren. Er hatte den anderen beiden nichts gesagt; er hatte gehofft, dass sie ihrer Rolle nicht würden nachkommen müssen, denn trotz allem lag die Teufelsbibel sicher versteckt in den Gewölben des Braunauer Klosters. Oder zumindest hatte er das angenommen.
    »Onkel Melchior, geh ins Haus, und wärm dich auf. Ich drehe eine Runde und komme dann nach.«
    »Cyprian, wir haben keine Zeit!«
    Cyprians Blick irrte ab. Melchior folgte ihm und sah ein Paar, das die Arme ineinandergehakt hatte und über den gefrorenen Schneematsch balancierte. Sie kamen auf Cyprians Haus zu. Melchior hörte ein helles Frauenlachen. Cyprians Gesicht spannte sich, als er versuchte, in die Kapuze der Frau zu blicken. Die beiden stapften an ihnen vorbei und weiter die Gasse hinunter, auf dem Weg in die frühe Abenddämmerung. Melchior musterte

Weitere Kostenlose Bücher