Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wächter Edens

Die Wächter Edens

Titel: Die Wächter Edens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Bellem
Vom Netzwerk:
Der hagere Mann schien um einen Kopf gewachsen zu sein und auch deutlich an Muskelmasse zugelegt zu haben. Toni schüttelte verwirrt den Kopf, als Vlads Schultern laut knackten und sich wölbten.
    Haut zerriss und in der Infrarotsicht breiteten sich zwei warme Flecken links und rechts des Mannes aus. Toni verstand nicht und zog das Nachtsichtgerät herunter. Zwei rot glühende Augen funkelten ihn wild aus Vlads Kopf an. Shane zog ein Feuerzeug aus der Tasche, und als die kleine Flamme verzweifelt gegen die Dunkelheit des Raumes ankämpfte, konnte Toni es endlich erkennen: ein schwarzes ledriges Flügelpaar.
    »Verdammt!«, stieß er aus und warf sich samt Sessel nach hinten, kippte um und fiel. Noch in der Luft ruderte er mit den Armen und begann mit den Füßen zu strampeln, als wollte er davonlaufen. Er landete in zusammengekauerterPosition auf den Füßen und starrte auf den fleischgewordenen Albtraum in der Mitte des Wohnzimmers. »Was zur Hölle ist das?«
    Das Maul des Monsters öffnete sich und messerscharfe Zähne blitzten auf. Seiner Kehle entrang sich ein gequälter Schrei, der eher zu einem Raubvogel gepasst hätte.
    »Was passiert hier?«, schrie Toni und versuchte mit zittrigen Fingern seine Pistole zu fassen.
    »Bleib ganz ruhig«, sagte Shane gelassen, dann wandte er sich an das Monster. »Ich denke, das reicht, D.«
    Toni traute seinen Augen nicht, als die Flügel langsam schrumpften und im Rücken des Monsters verschwanden. Auch die Statur veränderte sich mehr und mehr, bis schließlich derselbe hagere Mann wie zuerst vor ihm stand, jedoch ohne Hemd.
    »Entschuldigt mich einen Moment«, sagte Vlad. Seine Stimme klang ein wenig angestrengt, doch Toni schenkte diesem Detail keine Beachtung. »Ich hole mir rasch ein frisches Hemd.«
    Vlad ging an Toni vorbei, der rückwärtskrabbelnd vor ihm flüchtete, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Er bekreuzigte sich mehrmals und stammelte: »Herr, sei meiner Seele gnädig.«
    »Betest du auch noch das Vaterunser?«, lachte Shane.
    »Was … war das?«, fragte er stotternd.
    Shane lehnte sich entspannt zurück. »Wonach sah es denn aus?«
    Toni schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein«, murmelte er immer wieder. »Das kann es nicht geben … Ich muss hier raus!«
    Noriko legte den Kopf schief und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Belustigung. »Du sagtest, dass du an Gott glaubst«, begann sie. »Wir haben dirnur gezeigt, dass du recht getan hast … und welche Konsequenzen sich sonst noch daraus ergeben.«
    Vlad stand plötzlich neben ihm – er war einfach aus dem Nichts aufgetaucht und Toni fuhr erschrocken zusammen.
    »Keine Sorge, Sie sind nicht der Erste, der an seinem Verstand zweifelt, nachdem er mich gesehen hat.« Der hagere Mann reichte Toni einen Eimer. »Bitte, der Teppich ist recht neu …«
    Toni nahm den Eimer mit zitternden Händen entgegen und übergab sich mit lautem Würgen. Er blickte auf, konnte jedoch in der Dunkelheit nichts erkennen. Toni versuchte das Nachtsichtgerät wieder aufzusetzen, doch die Gurte hatten sich verdreht und er konnte sie mit seinen nervösen Fingern nicht mehr entwirren. »Ich muss hier raus!«, stammelte er erneut. Er umklammerte den Eimer wie ein Ertrinkender eine Rettungsboje.
    »Wir können die Rollläden nun ein wenig öffnen«, sagte Vlad. »Die Sonne geht bereits unter und ich kann ein wenig Licht riskieren.«
    »Oder du besorgst dir endlich ein paar Glühbirnen«, kicherte Shane.
    »Die brauche ich nicht«, gab Vlad zurück. »Und ich sehe nicht ein, weshalb ich es euch kriecherischen Menschen leichter machen sollte.«
    Noriko stand auf und öffnete die Läden einen winzigen Spalt. Vlad ging wieder zu seinem Sessel zurück, passte dabei aber peinlichst genau auf, keinen Lichtfleck zu berühren. Im spärlichen Licht der untergehenden Sonne konnte Toni einen ersten echten Blick auf Vlads Gesicht werfen. Der Mann sah keinen Tag älter aus als fünfzig. Kurzes, schwarzes Haar umspielte seine blasse Haut, und die tief in den Höhlen sitzenden Augen wanderten wach umher.
    Was ist er? , fragte Toni sich.
    »Ich habe mich doch bereits vorgestellt«, beantwortete Vlad den Gedanken. »Doch im Volksmund bin ich besser bekannt als Dracula.«
    Wie ist das möglich? , durchzuckte es Toni. Er liest meine Gedanken?
    »Ganz recht, das tue ich«, sagte Vlad. »Eine kleine … Zugabe … zu meinen anderen Fähigkeiten.«
    »Verstehst du jetzt, weshalb es keine offene Ausschreibung für die

Weitere Kostenlose Bücher