Die Wächter Edens
»Ich war bei der Schweizergarde.«
»Was sagt dir der Hexenhammer?«, warf Noriko ein.
Toni blickte sie skeptisch an. »Dieses Sammelsurium anHalbwahrheiten, mit dem die Kirche in ihrer dunkelsten Stunde unzählige Unschuldige hingerichtet hat?«
Shane seufzte, schüttelte dann resignierend den Kopf. »Okay … wie sollst du es auch besser wissen.«
In der Zwischenzeit hatte Noriko aus einem anderen Regal einen silbernen Rosenkranz und ein kleines Buch hervorgeholt. »Trage ihn immer um den Hals«, wies sie ihn an, als sie ihm die Kette überreichte.
Toni wollte schon widersprechen, doch eine innere Stimme sagte ihm, dass es klüger wäre, der Frau zu gehorchen. Er wog das Büchlein in der Hand. Es gab keinen Hinweis darauf, was es enthielt. »Und was ist das?«
Shane verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen. »Die Spielregeln.«
Noriko stand vor einem geöffneten Schrank, doch die Sicht auf dessen Inhalt wurde Toni vom Türflügel versperrt. »Welche Kleidergröße hast du?«, fragte sie beiläufig und ließ ihren Blick suchend umherwandern. Sie hielt inne, musterte Toni von Kopf bis Fuß und griff dann in den Schrank. »Das hier sollte passen.« Sie hielt ihm eine Hose, ein Hemd und eine ärmellose Weste hin.
Toni nahm die Sachen zögerlich entgegen und fühlte, dass es sich bei dem dunklen Material um eine Art Kevlar handelte. »Gepanzerte Kleidung?« Er tauschte einige fragende Blicke mit den beiden. »Gepanzerte Kleidung, Waffen – was kommt als Nächstes?«
Shane grinste breit. »Wir erklären dir das Spiel.« Dann nahm er sich eine kleine 9-mm-Maschinenpistole aus dem Regal, prüfte, ob sie geladen war, und steckte sie in das Schulterholster. Noriko wählte eine einfache Pistole gleichen Kalibers. Offensichtlich, weil eine größere Waffe an ihrem zierlichen Körper leichter zu entdecken wäre.
Toni wusste nicht genau, was man von ihm erwartete,aber die ganze unwirkliche Situation sorgte schon allein dafür, dass er sich mit einer Waffe in der Hand wesentlich sicherer fühlte. Also nahm auch er eine halb automatische Pistole und ein passendes Holster aus dem Regal.
»Anziehen«, sagte Shane knapp. »Die Zeit drängt.«
Toni senkte den Blick.
»Kein Grund, kirchlicher als der Papst zu sein«, lachte Noriko. »Aber bitte, wenn du wirklich so verklemmt bist …«, fuhr sie fort und drehte sich um. »Besser so?«
Toni entledigte sich rasch seiner Kleidung und zog die neuen Sachen über. Je öfter er das Material berührte, desto sicherer war er, dass es sich dabei um kugelsicheren Stoff handelte. Shane bemerkte seinen prüfenden Blick und nickte ihm bestätigend zu.
»Wohin zuerst?«, fragte Shane, und es war klar, dass er mit Noriko sprach.
»Wie spät ist es?«, entgegnete sie. »Früher Abend?«
Shane sah auf die Uhr. »Ich denke, der Russe ist schon wach.« Er griff nach einer kleinen Tasche.
Toni machte sich nicht mehr die Mühe, die beiden um eine Erklärung zu bitten, stattdessen folgte er ihnen nach einem stummen Stoßgebet die Treppe hinauf und aus der Kirche hinaus.
Shane steuerte zielsicher auf einen blauen Minivan mit getönten Scheiben zu.
»Okay …«, begann Toni, »klärt mich endlich mal auf. Geheime Waffenlager im Keller einer Kirche, Kevlaranzüge – und dann eine spießige Familienkutsche?«
Noriko wollte anscheinend zu einer Erklärung ansetzen, doch Shane fiel ihr ins Wort. »Du würdest es nicht glauben, also verderben wir dir nicht den Spaß.«
»Es ist ungefährlich«, versuchte Noriko ihn zu beruhigen,fügte dann aber achselzuckend hinzu: »Heute zumindest.«
Toni entfuhr ein genervtes Stöhnen.
»Keine Sorge, es wird sich lohnen!«, lachte Shane und entriegelte die Türen per Fernbedienung.
Nachdem sie eingestiegen waren – Toni hatte es sich im Fond bequem gemacht –, drehte Shane sich noch einmal zu ihm um. »Wir haben im Auto keine Waffen versteckt, für den Fall, dass es jemand klaut oder wir durchsucht werden. Ich gehe davon aus, dass du einen Waffenschein hast, sonst hätte man dich uns erst gar nicht zugeteilt.«
»Ja, hab ich«, antwortete Toni leicht gereizt. Er hatte dieses Spielchen allmählich satt.
»Anschnallen«, sagte Shane mit entwaffnendem Lächeln. Dann ließ er den Motor an und löste die Handbremse. »Auf zum Russen.«
Sie sprachen während der Fahrt kaum ein Wort. Toni war das Schweigen angenehm, da er sich so besser auf seine Umgebung konzentrieren konnte. Was für eine kleine Stadt im Vergleich zu Rom , dachte er.
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