Die Wächter Edens
wieder im Griff hatte. »Ein Vam…«, wollte Toni sagen, doch Shane presste ihm die Hand fest auf den Mund.
»Nicht hier«, flüsterte er in ungewohnt ernstem Ton.
Sie zerrten Toni hinter sich her, zurück zum Minivan. Nachdem sie eingestiegen waren, verriegelte Shane die Türen und vergewisserte sich, dass kein Fenster geöffnet war.
»Ja, Vlad ist ein Vampir. Genauer gesagt ist er sogar der Vampir. Der erste seiner Art«, erklärte der Hüne. »Was ist daran nicht zu verstehen?«
»Aber wie ist das möglich?«
Noriko lachte und reichte Toni ein Pfefferminz. »Die eigentliche Frage lautet, wie es nicht möglich sein sollte.«
Shane nickte. »Sie hat recht. Man kann nicht als wahrhaft gläubiger Mensch leben und dann nicht auch an die Hölle glauben. Oder andere Kreaturen, die man am liebsten in die schlimmsten Albträume verbannen würde. Es gibt so viele Berichte, in denen die Kirche gegen Halbwesen gekämpft hat, Toni, die sind keine bloße Erfindung.«
Toni atmete tief durch. »Also schön … ich … glaube euch … Aber was macht Dracula in einer Plattenbausiedlung?«
Shane lachte. »D. ist ein Opfer des Fortschritts. Früher war es einfacher für ihn. Er flog in ein Dorf, schnappte sich eine junge Frau und verschwand. Die Dörfler jammerten, doch schon hinter ihrer Dorfgrenze tat man es als abergläubisches Geschwätz ab.« Er vergewisserte sich mit einem Blick, dass Toni ihm noch immer aufmerksam folgte. »Heute setzt er nur einen Fuß vor die Tür, und fünf Minuten später findet man hundert Fotos bei Twitter und fünf Videos bei YouTube. Alle mit ’ner scheiß Handycamvon Minderjährigen gemacht, die eigentlich im Bett sein müssten, sich aber lieber besaufen.«
»Die Medien funktionieren einfach viel besser und schneller«, warf Noriko ein. »Heute ist es für ihn fast unmöglich, ein Versteck zu finden.«
Der Hüne lachte. »Wir haben ihm einmal geraten, sich eine Website zuzulegen. Da könnte er um Spenden bitten oder den Leuten die Verwandlung zum Vampir verkaufen.«
»Und warum tut er das nicht?«, fragte Toni, denn trotz aller Ungeheuerlichkeit klang der Vorschlag auf eine verdrehte Weise vernünftig.
Shane und Noriko wechselten vielsagende Blicke. »Weil Vincent ihm den Arsch aufreißen würde!«, rief er schließlich. »Und sollte er es dennoch einmal tun, dann sind wir da, um das Schlimmste zu verhindern.«
Toni schüttelte abermals den Kopf. »Das alles klingt total verrückt.«
»Und dennoch sind wir die einzigen Menschen, die wirklich klar sehen«, lachte Shane und startete den Motor.
Er löste die Handbremse und wollte gerade losfahren, als Noriko ihn am Arm berührte und mit dem Kopf in Richtung Toni deutete.
Er saß im Fond des Minivans, vornübergebeugt und den Kopf in beiden Händen. Das ist total verrückt! , dachte er unentwegt. Plötzlich spürte er Shanes Blick auf sich ruhen und sah auf. »Ihr seid verrückt.«
Der rothaarige Mann musterte Toni kritisch, ließ dann aber seine strahlend weißen Zähne in einem breiten Grinsen aufblitzen. »Du siehst aus, als könntest du ’nen Kaffee vertragen.« Er drückte mehrmals einen Knopf am Autoradio, und eine Sekunde später ertönte Musik aus den Lautsprechern. »Sultans of Swing«, lachte er. »Es gibt nichtsBesseres, um zu entspannen, als Dire Straits, findest du nicht?«
Noriko seufzte. »Ja, ja, Dire Straits sind die Größten, Mr MacRath, wir wissen es. Herrgott, du kommst nicht mal aus Glasgow.«
Shane grunzte ihre Bemerkung beiseite. »Aber ich hab lange da gelebt, also Klappe.« Und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: »Und du solltest nicht in Seinem Namen fluchen.«
Im dritten Anlauf gelang es Toni schließlich, seine zittrigen Hände zu beherrschen und sich anzuschnallen.
»Na schön«, seufzte Noriko, »aber du musst uns dennoch nicht immer unter die Nase reiben, wie toll Mark Knopfler doch ist.«
Shane schnaubte verächtlich. »Er ist ein Gott an der Gitarre!«
»Ach, du darfst Seinen Namen wohl immer verwenden, was?«, hielt die junge Asiatin dagegen.
Shane kicherte. »Ich bin mir sicher, dass selbst Er sich geschmeichelt fühlt, wenn ich Mark Knopflers Gitarrenspiel mit Ihm gleichsetze.«
Noriko lachte übertrieben laut. »Eines Tages wirst du es Ihm ja selbst sagen können.«
»Könnt ihr endlich den Mund halten?«, schrie Toni plötzlich wütend. »Und mir einfach mal erklären, was hier los ist?«
»Ach ja, Kaffee!«, erinnerte sich Shane und fuhr endlich los.
»Ihr seid doch alle
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