Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
hatte. Er wusste nicht, weshalb ihn der Gedanke, sie könnten unter den Mänteln stecken, so erschreckt hatte.
    »Was wollt Ihr?«, fragte der Wirt in dem barschen Tonfall, mit dem er wohl alle Gäste anzureden pflegte.
    »Der Friede des Herrn sei mit dir, Bruder«, sagte der eine.
    »Trinken könnt Ihr auf der Stelle«, meinte der Wirt. Die Begrüßungsworte schienen ihn nicht zu beeindrucken. »Wenn Ihr aber etwas essen wollt, so müsst Ihr warten. Im Augenblick sind alle Tische besetzt.«
    Die beiden sahen sich wieder im Schankraum um und schüttelten lächelnd die Köpfe.
    »Wir begehren weder Speise noch Trank.«
    »So, was wollt Ihr dann?«
    »Du bedienst nicht nur unsere Brüder und Schwestern im Glauben«, sagte der andere, der bislang geschwiegen hatte. Er gab sich keine Mühe, leise zu sprechen. Seine Stimme klang sanft und freundlich, und trotzdem lief Meleachim eine Gänsehaut über den Rücken. Anderen schien es ebenso zu ergehen, denn augenblicklich verstummten sämtliche Gespräche. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf die beiden Neuankömmlinge. »Ich sehe Juden an deinen Tischen sitzen. Und ich sehe Moslems.«
    »Und was geht Euch das an?«, erwiderte der Wirt mit finsterem Gesicht.
    »Viel, mein Bruder im Herrn, viel«, antwortete der Mann. »Sie sind die Feinde unseres Herrn, an ihren Händen klebt das Blut Christi, sie besudeln die heiligen Stätten. Das können wir nicht zulassen.«
    Der Wirt sagte nichts, doch Meleachim kam es so vor, als würde sein Gesicht dunkler werden.
    »Wir müssen uns gegen sie erheben. Wir müssen sie von hier vertreiben.«
    »Wer sagt das?«, stieß der Wirt zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Pater Giacomo, ein Prediger, ein Heiliger, ein Prophet«, antwortete der andere. »Gott hat ihn nach Jerusalem gesandt, um die Heilige Stadt von den Frevlern zu säubern. Er versammelt alle Gläubigen, die guten Willens sind, um sich. Schon bald wird das reinigende Feuer die Feinde unseres Herrn verzehren und …«
    Die Faust des Wirtes sauste auf den Schanktisch nieder. Es klang wie ein Donnerschlag.
    »Es reicht!«, brüllte er und schwang sich so behände über den Tresen, wie Meleachim es diesem massigen Kerl nie zugetraut hätte. Selbst die beiden jungen Männer schienen überrascht zu sein. Ängstlich sahen sie einander an. »Ihr geht jetzt. Alle beide!«
    Der Wirt packte die Männer im Genick. Sie duckten sich und versuchten sich durch Boxen und Treten aus der Umklammerung zu befreien, doch vergeblich. Die gewaltigen Pranken des Wirtes hielten sie unerbittlich fest. Sie stolperten über den Saum ihrer Mäntel, als er sie zur Tür schob. »Verschwindet von hier. Und lasst euch nie wieder bei mir blicken!«
    Er stieß mit dem Fuß die Tür auf und warf die beiden Männer auf die Straße, als wären sie nichts weiter als zwei Kornsäcke. Meleachim konnte deutlich ihr wütendes »Die Feuer der Hölle werden auch dich verzehren!« hören, bevor die Tür wieder zuschlug. Der Wirt wischte sich die Hände an seiner Schürze ab, als hätte er sie sich beschmutzt, und kehrte zu seinem Schanktisch zurück. Die Gäste jubelten und prosteten ihm zu. Doch Meleachim hatte den Eindruck, dass so mancher der Christen den beiden Männern im Geheimen Recht gab. Er fing Blicke auf, die alles andere als freundlich waren, und er bekam Angst.
    Wer war dieser Pater Giacomo, von dem der Mann gesprochen hatte? Plötzlich fiel ihm ein, dass so einer der beiden Pilger geheißen hatte, die er vor dem Stadttor getroffen hatte. Und er erinnerte sich auch daran, was dieser »Pater Giacomo« angesichts der Stadttore zu seinem Begleiter gesagt hatte: »Heute ist der Tag, an dem sich das Ende der Herrschaft der Frevler über die heiligen Stätten nähert, an dem sich das Kreuz über Halbmond und Davidstern erhebt. Der Tag, an dem endlich der letzte Kreuzzug beginnt.«
    Meleachim begann zu zittern. Er hatte damals nicht geträumt . Er hatte das Gespräch wirklich gehört. Wahrscheinlich hätte er sich bereits damals an die Janitscharen wenden sollen. Warum nur hatte er es nicht getan? Aber vielleicht war es noch nicht zu spät.
    Er erhob sich und ging an den Schanktisch zum Wirt.
    »Ich möchte zahlen«, sagte er und war selbst erstaunt, wie stark seine Stimme bebte.
    »War’s nicht gut?«, fragte der Wirt nach einem kurzen Blick zu Meleachims Platz, auf dem der noch nicht geleerte Teller stand.
    »Doch, das Essen war vortrefflich. Aber ich muss etwas erledigen .«
    Der Wirt

Weitere Kostenlose Bücher