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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Frieden gelassen werden, ganz gleich, welcher Glaubensgemeinschaft sie angehören.«
    »Vor wem Ihr Euch allerdings wirklich in Acht nehmen solltet«, fuhr Anselmo fort, »das sind die Janitscharen.«
    »Die Janitscharen?« Anne verdrehte die Augen. Eine weitere Gruppierung in dieser Stadt, die besondere Beachtung erforderte . Sie hatte bereits vor ihrer Abreise aus Hamburg im Internet über die Janitscharen gelesen. Es waren entführte Christenkinder aus den Provinzen, die sich das Osmanische Reich in seinen Eroberungszügen einverleibt hatte. Diese Jungen wurden im islamischen Glauben erzogen und zu Elitesoldaten ausgebildet, die eine eingeschworene, fast klösterlich organisierte Gemeinschaft bildeten. »Was ist mit den Janitscharen ?«
    »Sultan Suleiman ist ein weiser und gerechter Mann«, sagte Cosimo. »Auch wenn viele Christen etwas anderes behaupten, so ist er derjenige, der dafür sorgt, dass sowohl Juden als auch Christen hier in Jerusalem die Freiheit haben, ihrem Glauben nachzugehen. Und die Janitscharen sind sozusagen sein verlängerter Arm. Doch …«
    »Allerdings sind sie Moslems«, unterbrach ihn Anselmo. »Viele von ihnen mögen weder Juden noch Christen. Und wenn ihnen etwas nicht passt, können sie sehr unangenehm werden.«
    »Aber ich habe gelesen, dass sie für Recht und Ordnung sorgen und …«
    »Natürlich«, fiel ihr Anselmo mit einem grimmigen Lächeln ins Wort, »die Janitscharen sorgen für Recht und Ordnung . Aber es ist ihr Recht. Und eine Ordnung, wie sie ihnen gefällt. Dazu gehört auch, dass sie gern jüdische oder christliche Bürger schikanieren, falls ihnen gerade danach ist.«
    »Aber Suleiman ist doch …«
    »Suleiman ist in Istanbul, und das ist weit weg, Signorina Anne«, sagte Cosimo. »Er kann nicht sehen, was hier wirklich geschieht. Geht den Janitscharen also besser aus dem Weg. Doch nun kommt, Signorina Anne, es ist höchste Zeit für eine Pause. Wieder haben wir sehr viel geredet, und Ihr seht müde aus.«
    Kein Wunder, dachte Anne. Sie hatte bereits in Hamburg versucht, sich auf die Situation in Jerusalem vorzubereiten. Aber tatsächlich hier zu sein und sich mit den Gegebenheiten des 16. Jahrhunderts abfinden zu müssen, war doch etwas ganz anderes. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass so manches Detail den Historikern im Laufe der Jahrhunderte entgangen war. So zum Beispiel die Willkür und mangelnde Toleranz der Janitscharen, wovon Anselmo erzählt hatte.
    »Es ist bereits Mittagszeit, Signorina«, sagte Cosimo. »Wir werden essen, und anschließend können wir einen kleinen Rundgang durch unser Viertel machen. Anselmo und ich sind oft aus geschäftlichen Gründen außer Haus. Es ist also besser, wenn Ihr Euch auch ohne unsere Hilfe hier zurechtfindet.«
    Diese Worte klangen in Annes Ohren wie Musik. Sie hatte einen Bärenhunger, und ihr Kopf dröhnte. Eine ausgiebige Mahlzeit und frische Luft würden ihr bestimmt gut tun.
    Sie gingen gemeinsam in das Speisezimmer, und Anne nahm ihren Platz an der langen Tafel ein. Elisabeth hatte gerade eine riesige Schüssel mit diesen köstlich duftenden Würsten auf den Tisch gestellt, die sie schon einmal vor ein paar Tagen serviert hatte, als es an der Tür klopfte. Mahmud trat ein.
    »Verzeiht die Störung, Herr«, sagte er und verneigte sich vor Cosimo. »Zwei Janitscharen stehen vor der Tür und begehren Einlass.«
    Cosimo runzelte die Stirn und warf Anselmo einen strengen Blick zu. Anselmo riss die Augen auf, hob unschuldig die Hände und schüttelte heftig den Kopf.
    Cosimo atmete geräuschvoll aus. »Nun gut, Mahmud, dann führe die beiden in die Bibliothek. Ich komme sofort.« Verärgert warf er seine Serviette auf den Tisch. »Anselmo, hast du etwas angestellt, von dem ich wissen sollte?«
    Anselmo schüttelte erneut den Kopf, und seine Augen begannen wütend zu funkeln.
    »Nein. Außerdem solltet Ihr mich besser kennen, Vater . Wenn ich etwas anstelle – wie Ihr es zu bezeichnen beliebt –, lasse ich mich gewiss nicht dabei erwischen. Von niemandem. Und schon gar nicht von diesen …«
    »Schon gut, schon gut«, unterbrach ihn Cosimo rasch. »Aber dann stellt sich die Frage, was Janitscharen in unserem Haus verloren haben.« Er erhob sich.
    »Sollen wir …«, begann Anselmo und erhob sich ebenfalls.
    Doch Cosimo winkte ab. »Nein, bleibt hier. Falls es nötig werden sollte, lasse ich euch rufen. Es kann nichts Wichtiges sein. Wahrscheinlich ein Irrtum. Oder die Nachricht über eine Lieferung, die falsch

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