Die Waechter von Marstrand
schlafen.«
Margareta ging um die beiden hell erleuchteten Tische herum. Sie dokumentierte die Merkmale und Verletzungen der Leichen, indem sie alle Beobachtungen mit einem Diktiergerät aufnahm. Es war merkwürdig, dass der ganze weißgekachelte Saal nach Wald und Moor roch. Auf beiden Seziertischen lagen Moose und Baumnadeln, als hätte die Natur diese zwei Menschen nicht loslassen wollen und sie daher begleitet.
Die Frau und das Kind waren wenige Stunden nach der Entbindung ins Moor geraten. Die Geburt musste auf der Insel stattgefunden haben, denn wenn sie ein Krankenhaus besucht hätte, wäre ihr Damm vernäht worden. Die Kleidung gab ihr ein Rätsel auf. Warum war die Frau in Nachthemd und Strickjacke, aber ohne Schuhe hinausgelaufen? Vielleicht hatte sie sie unterwegs verloren. Margarete würde Jerker bitten, sich in der Umgebung noch einmal umzusehen. Was hatte die Frau eigentlich veranlasst, ihr Kind zu schnappen und barfuß loszurennen?
Margaretas Verwirrung wurde von Minute zu Minute größer. Als sie schließlich den Magen der Frau öffnete, drückte sie die Pausetaste an ihrem Diktiergerät und zog sich den Mundschutz vom Gesicht. Sie musste noch Proben für eine Laboranalyse entnehmen, aber der Verdacht, der sich schon vor einiger Zeit in ihr geregt hatte, wurde immer stärker. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Frau umgebracht worden war, aber diese Tatsache war in gewisser Weise leichter zu ertragen, da Margareta sich ziemlich sicher war, dass der Junge bereits tot in den Armen der Frau lag, als er ins Alte Moor geriet. Seine Lungen wiesen einen Defekt auf, mit dem er ohnehin höchstens einige Stunden überlebt hätte. Doch alles andere kam ihr merkwürdig vor. Margareta glaubte nicht, dass die Techniker morgen nach gründlicher Untersuchung noch etwas finden würden. Keine Schuhe, kein Handy, nichts. Alle Spuren, die diese Frau hinterlassen hatte, waren vor langer Zeit verschwunden.
Nachdenklich ging Karin auf den Ponton in der Blekebukt hinaus, die sich im Sund zwischen Marstrandsö und Koö befand. Die Andante lag am äußersten Ende des Schwimmstegs. Johan hatte den Anlegeplatz gewählt, den sie selbst bevorzugte. Was für ein Glück, dass erin der Sommersaison frei war. Sie überprüfte, ob er das Boot sicher vertäut hatte, und merkte dabei nicht, dass Johan hinter ihr auftauchte.
»Habe ich die Prüfung bestanden?«
Karin lachte.
»Entschuldige, die Kontrolle ist reine Gewohnheit. Wenn ich das Boot selbst festgemacht hätte, wäre ich genauso vorgegangen. Die Vertäuung zu überprüfen gehört zu meiner abendlichen Routine. Wir brauchen auch noch ein paar Fender an der Außenseite, falls über Nacht noch mehr Segelboote eintreffen. Ich weiß genau, was es für ein Gefühl ist, wenn man nach einem langen Segeltörn müde in den Hafen kommt und sieht, dass jemand Fender ausgehängt hat. Da fühlt man sich gleich willkommen.«
Erst jetzt sah Karin, dass er in jeder Hand eine Einkaufstüte trug.
»Ach, bist du gut. Warst du etwa im Supermarkt?« Sie umarmte ihn.
»Warte.« Johan stellte die Tüten auf den Steg. Er drückte sie ganz fest und sah ihr dann ins Gesicht. »Wie war es?«
Karin schüttelte den Kopf. »Schrecklich.«
»Komm«, sagte er. »Ich mache uns Tee und ein Butterbrot, und du kannst in Ruhe erzählen. Falls du das möchtest.«
Karin senkte den Blick und wurde von ihren Gefühlen fast überwältigt.
»Es war ein Kind. Ein kleines Baby. Die Mutter hielt es in den Armen.«
Johan holte ein Polster für Karin. Dann setzte er sich neben sie in die Plicht und legte ihr den Arm um die Schultern.
»Manchmal ist es einfach zu viel. Bis zu einer gewissen Grenze geht es, aber dann …«
»Und ihr habt die beiden auf Klöverö gefunden?« Johan schüttelte fassungslos den Kopf.
»Im Alten Moor. Sara und die Botanische Vereinigung Göteborg hatten die Entdeckung macht. Gott sei Dank haben sie nicht die Leichen gesehen.«
Johan nickte. »Ich war kurz bei ihr, um mich zu erkundigen, wie es ihr geht. Sie war sehr aufgewühlt. Es ist bestimmt gut, wenn die Familie eine Weile verreist. Ich habe Martin und Lycke angerufen und ihnen erzählt, was passiert ist.«
Karin hatte fast vergessen, dass Sara mit ihrer Familie zu Johans Bruder nach Schottland wollte. Seine Frau Lycke war für ein Jahr dorthin versetzt worden, und sowohl ihr Mann Martin als auch ihr Sohn Walter hatten sie begleitet. Eigentlich wollten Johan und Karin sie auch besuchen, aber daraus war bist jetzt noch
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