Die Waechter von Marstrand
forderten ihr Recht.
»Agnes.« Resolut zog Oskar sie zu sich herüber. »Komm her.« Er strich ihr über das Haar und küsste ihre Tränen weg.
Solange sie mit ihm zusammen sein durfte, war alles gut.
»So. Wir finden eine Lösung. Das verspreche ich dir.« Agnes fragte sich, wie er das so sicher sagen konnte. Sie hatte genug Erfahrung, um zu wissen, dass manche Versprechen nicht gehalten wurden. Auch sie hatte sich nicht an das Versprechen gehalten, dass Vater Bryngel gegeben hatte. Sie wollte nicht daran denken, sondern nur das Hier und Jetzt genießen und Oskar neben sich spüren. Geliebte Großmutter, was soll ich nur tun? Sie versuchte, sich Großmutters Stimme vorzustellen, die sagte: Het kom wel goed , aber die Worte klangen hohl und fremd. Schließlich schlief sie mit dem Kopf an Oskars Brust ein.
Am nächsten Morgen bandagierte Agnes widerwillig ihre Brust und zog ein Hemd an. Oskar hatte bereits gefrühstückt und war dabei, das Boot zu beladen. Agnes verspürte keinen Appetit, aß jedoch artig das Butterbrot und das Ei auf, das man ihr hingestellt hatte. Als sie die Treppe hinunterging, strich sie mit der Hand über das Geländer. Hoffentlich komme ich wieder, dachte sie. Vaters Stiefel standen im Hauseingang. Ein seltsamer Anblick. Im ersten Moment glaubte sie, er wäre zu Besuch gekommen. Die Wollsocken hatten problemlos Platz darin. Sie zog sich die Mütze ins Gesicht und trat vors Haus. Der Wind war eisig. Agnes biss die Zähne zusammen und ging auf den Anlegesteg. Oskar lächelte, als er sie sah. Er kam ihr entgegen, aber sie konnte ihn im letzten Augenblick davon abhalten, sie in den Arm zu nehmen. Wenn jemand sie gesehen hätte! Er wirkte aufgeregt.
»Ich habe nachgedacht. Wir segeln gemeinsam hoch nach Näverkärr und sprechen mit deinem Vater.«
Agnes kam wieder die Befürchtung in den Sinn, Vaterwürde sie einsperren und Oskar zum Teufel jagen. Gegen Vater und die Knechte hätte Oskar keine Chance, außerdem hatte er nicht das Gesetz auf seiner Seite. Sie waren nicht verlobt. Noch war sie Bryngel versprochen.
»Das ist zu riskant. Ich habe Angst, dass sie mich zwingen, Bryngel zu heiraten.«
»Das würde ich niemals zulassen.« Agnes erinnerte sich daran, wie ihr Vater und seine Arbeiter sich mehr als einmal eingemischt hatten, wenn zwischen verschiedenen Fischerkompanien Schlägereien aufkamen. Vaters Fassmachern und den Männern aus Trankocherei und Heringssalzerei hatte Oskar nichts entgegenzusetzen. Würde er allein nach Näverkärr fahren können, ohne Schwierigkeiten zu bekommen?
Sie hatte Bryngel nie die Hand gegeben, um den Bund zu bestätigen. Somit war die Verlobung eigentlich nicht rechtsgültig, aber Agnes glaubte, dass das nebensächlich war. Eigentlich wollte sie nichts lieber, als ihn zu begleiten. Zum einen wollte sie bei Oskar sein, und zum anderen hätte sie sich Vater gern selbst erklärt. Geliebter Vater, würde er ihr jemals verzeihen?
»Du musst allein fahren. Ich warte hier auf dich.«
Oskar sah sie betrübt an und legte den Kopf auf die Seite. »Ich kann dich hier nicht zurücklassen. Das wäre viel zu gefährlich. Jeder könnte nach Klöverö kommen. Wer soll dich dann beschützen?«
Agnes holte tief Luft.
»Ich meinte nicht hier auf Klöverö, sondern auf Marstrandsö. Du musst mich bei Widells absetzen.«
Oskar sah sie entsetzt an. Besorgt sah er sich um. Er befürchtete, dass jemand sie belauschte.
»Komm, wir gehen zurück zum Haus.« Sein Ton war entschieden, fast wütend.
»Zu Widells?«, fragte er ärgerlich, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. »Ich kann dich nicht zuWidells bringen, das ist dir doch klar.« Er nahm sie in den Arm. »Ich kann und will dich gar nicht zurücklassen. Komm mit, meine Liebe. Glaubst du nicht, dass dein Vater sich freut, dich zu sehen?«
»Ich weiß nicht. Am sichersten wird es für mich sein, wenn ich als Agne in Marstrand bleibe. Richte Vater von mir aus, dass es mir leid tut. Versuche bitte, ihm alles so zu erklären, dass er mich versteht. Ich habe einen Brief geschrieben, den du mitnehmen sollst.« Sie reichte ihm die gefalteten Bögen. Es hatte so lange gedauert, die richtigen Worte zu finden.
»Aber Agnes …«
»Es tut mir leid, Oskar, aber ich bleibe hier. Ich habe mich entschieden. Ich werde auf dich warten, bis zu zurückkommst.«
Agnes drückte ihn fest an sich. »Bring mich nach Marstrandsö, damit wir es hinter uns haben. Je schneller wir Abschied nehmen, desto eher sehen wir uns
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