Die Waechter von Marstrand
hatte er Lederbesätze, die Hände steckten in dicken Handschuhen. Er trug die größten Säcke und die schwersten Fässer. Daniel Jacobsson, der Mann, der ihnen auf der Schlittenfahrt begegnet war. Die schweren Lasten schienen ihm nicht das Geringste auszumachen, und es sah aus, als verschwänden die Fässer fast in seinen gewaltigen Pranken. An seinem Gürtel hing das berüchtigte Senkblei. Ein Schlag damit genügte, um ein Leben auszulöschen. Oder einen Schiffbrüchigen von der Reling zu stoßen. Ein einziger Schlag.
Entweder weigere ich mich mitzuhelfen und werde erschlagen, dachte Agnes, oder ich reiße mich noch eine Weile zusammen. Sie schnappte nach Luft, als sie sah, dass einer der Männer mit einem Eimer versuchte, Blut von der Reling abzuspülen. Es flimmerte vor ihren Augen, und für einen Moment glaubte sie, in Ohnmacht zu fallen. Für diese Ladung hatten Menschen ihr Leben lassen müssen, und ihr selbst blühte vielleicht das gleiche Schicksal. Keiner der Männer würde zögern, sie aus dem Weg zu räumen. Und falls auch nur der Verdacht aufkam, dass sie eine Frau war … Agnes wagte gar nicht, daran zu denken. Sie durfte keinerlei Anlass zur geringsten Verärgerung bieten und vor allem kein Misstrauen erwecken. Nicht nachdenken, einfach arbeiten. Die Enterhaken, spezielle Werkzeuge, mit denen Seeräuber andere Schiffe von der Seite angriffen, lagen neben Robbengewehren, Keulen, Steinschlossmusketen, Säbeln, Fässern und Säcken mit unbekanntem Inhalt im Boot. Agnes vermied den Blick auf die Waffen, senkte den Blick und ging breitbeinig auf die Männer zu. An Bord mussten viele gewesen sein. Viele waren in diesenCoup verwickelt. Je mehr sie darüber wusste, desto ungünstiger für sie. Sie schuftete und schleppte, ohne sich um ihre Arme zu scheren, die um eine Erholungspause bettelten. Adrenalin strömte durch ihre Adern, und Agnes stemmte Säcke, mit deren Gewicht sie nie zuvor fertig geworden war.
Die Männer arbeiteten schweigend. Agnes bemerkte jetzt, dass einer der Sohn einer anderen Marstrander Kaufmannsfamilie war. Damit hätte sie nie gerechnet. Der Mann hatte einen tadellosen Ruf und spendete oft Geld an diejenigen, die es nicht so gut hatten wie er. Unvorstellbar, dass er sich an dieser Art von Geschäft beteiligte!
»Was ist eigentlich mit Bengt aus Klova passiert?«, fragte Daniel.
Der Kaufmannssohn hielt inne und sah Daniel an.
»Er wollte sich zurückziehen. Wahrscheinlich hat er sich Sorgen um seine Familie gemacht.«
»Aber …«
»Lass mich ausreden«, fiel ihm der Kaufmannssohn ins Wort.
Daniel sah ihn an. Es war Daniel deutlich anzumerken, dass er es nicht gewohnt war, unterbrochen zu werden. Umständlich nahm er seine Mütze ab und entblößte den Helm darunter. Er setzte auch diesen ab und kratzte sich am Kopf, solange der andere redete.
»Wir haben ihm erklärt, dass wir ihn brauchen. Haben ihn gebeten, Waren aus Ärholm abzuholen. Wir hätten ihn ordentlich bezahlt und wussten, dass er das Geld für seine Kinder brauchte. Aber er blieb bei seinem Nein. Lieber wollte er sich mehr recht als schlecht als Fischer durchschlagen, als Blut an den Händen zu haben.«
»Also haben wir ihm eine Schüssel Festtagskrapfen auf die Veranda gestellt. Bengts Frau hat die meisten an die hungrigen Kinder verfüttert und den Rest aufbewahrt,bis Bengt nach Hause kam. Als er eintraf, waren die Kinder bereits tot. Die Frau starb am Tag darauf.«
»Was hattet ihr in die Krapfen getan?«, wollte Daniel wissen.
»Arsen.«
»Und jetzt hilft er uns?«, wollte Mauritz wissen.
»Nein, verdammt. Nach der Beerdigung ist er in sein Boot gestiegen und hinaus auf das Meer gesegelt. Mitten im Januar. Irgendjemand hat ihn nördlich der Pater-Noster-Schären gesehen und ihm etwas zugerufen, aber er hat keine Miene verzogen. Stand einfach da mit der Großschot in der einen und der Pinne in der anderen Hand.«
Agnes dachte an die Frau, denn sie kannte sie. Es war diejenige, die von Zeit zu Zeit mit einer immer kleineren Kinderschar im Laden aufgetaucht war. Agnes hatte immer versucht, die Lebensmittel für sie großzügig zu bemessen und so wenig Geld wie möglich von ihr zu nehmen. Nun waren sie und die Kinder nicht mehr am Leben.
»Habt ihr von Oskar Ahlgren gehört?«, fragte Daniel Jacobsson und warf einen Seitenblick in Agnes Richtung.
»Was denn?«, fragte Mauritz gereizt, weil noch einmal die Stille durchbrochen wurde.
Daniel senkte die Stimme. »Sie haben sein Boot nördlich von Käringö
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