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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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gefunden. Gestern, glaube ich.«
    »Tatsächlich?«
    »Allerdings. Es schwamm mit dem Rumpf nach oben und hatte keine Ruder mehr.«
    Agnes spürte das Blut in ihren Schläfen rauschen. War er nicht mehr am Leben? War er von ihr gegangen? Nein! Ein Schrei bahnte sich seinen Weg durch ihre Kehle. Sie musste ihn mit Gewalt zurückhalten und biss sich auf die Innenseiten ihrer Wangen, bis der Geschmack von Blut ihren Mund ausfüllte. Oskar. Die Narbe spannte und dieBrust wollte ihr zerspringen. Ihr wurde schwarz vor Augen. Sie wollte Daniel Jacobsson fragen, wer solche Behauptungen aufstellte, aber wenn sie den Mund geöffnet hätte, wäre sie zusammengebrochen. Es konnte und durfte nicht wahr sein. Was sollte sie machen, falls Oskar tot war? In dem Fall wäre es mit ihr selbst auch aus gewesen.
    Sie arbeitete so schnell sie konnte, um diesen Ort möglichst bald zu verlassen. Mauritz zeigte ihr den Weg durch das Wacholdergestrüpp. Dahinter lag der Eingang zu dem Magazin mit den Silbermünzen. Agnes scherte sich nicht darum, dass die Zweige ihr Gesicht und Hände zerkratzten. Nichts spielte mehr eine Rolle. Sie folgte Mauritz wortlos. Sobald sie das Lager betreten hatten, war das Plätschern der Wellen nicht mehr zu hören. Es war merkwürdig still hier drinnen. Wie in einem Grab, dachte Agnes. Es musste doch eine andere Erklärung dafür geben, dass Oskars Boot aufgefunden worden war. Sie wusste, dass er überlegt hatte, das Boot zu verkaufen, hatte aber auch mit eigenen Augen gesehen, wie er sich damit auf den Weg nach Norden gemacht hatte.
    Mauritz drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war erstarrt. Sie blickte sich unruhig um. Jemand schien ihnen auf den Fersen zu sein.
    »Nur um eins klarzustellen: Ich weiß, dass du hier warst. Wenn du auch nur einen Mucks von dir gibst, werde ich dich als den Verantwortlichen hinstellen, und dann wirst du wegen des Inhalts dieses Magazins gehängt.«
    Agnes wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, aber sie bezweifelte nicht eine Sekunde, dass Mauritz es ernst meinte.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.« Sie gab sich Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.
    »Versuch nicht, dich herauszureden, Agne. Wenn das nächste Mal etwas passiert, wird Oskar nicht kommen,um dich zu retten, also entscheidest du dich besser auf der Stelle, auf welcher Seite du stehst.« Er zeigte auf den Sack, den Agnes schleppte. »Das ist Tabak. Er muss in kleinere Päckchen eingeteilt und so schnell wie möglich ausgeliefert werden. Gegen diesen Geruch ist man machtlos. Der Labrador vom Zoll erschnüffelt ihn sofort. Also, was sagst du?« Mauritz rollte eins der schweren Fässer herein, die Daniel Jacobsson mit Leichtigkeit aus dem Boot gehoben hatte, und wartete ihre Antwort ab.
    »Nur für den Fall, dass du vorhattest, jemandem davon zu erzählen: Ich habe dieses Lager von einem Offizier gemietet. Ich an deiner Stelle würde lieber die Schnauze halten.«
    Erst jetzt bemerkte sie den Mann, der schweigend hinter ihr stand. Neben ihm standen die scharf geschliffenen Äxte. Das flackernde Licht der Tranlampe spiegelte sich in Mauritz’ weit aufgerissenen Augen. Er sah wahnsinnig aus.
    »Was sagst du?«, fragte er noch einmal.
    Agnes nickte.
    »Gut.« Er bedeutete dem Mann mit der Axt, dass er gehen konnte.
    Agnes bekam eine Gänsehaut. Das hier wird nicht mehr lange funktionieren, dachte sie. Ich muss mich selbst aus dieser Lage befreien. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen, und half Mauritz mit dem Fass. Sie hatte Bauchschmerzen, die Wunde tat weh, und in ihrem Kopf herrschte Chaos. Wusste Kaufmann Widell von den dunklen Machenschaften seines Sohnes? Vielleicht tat er das und machte gute Miene zum bösen Spiel. Agnes wünschte sich, ihn durchschauen zu können. Wen sollte sie um Hilfe bitten? Wohin sollte sie sich wenden? Da sie ein zugezogener Fremdling war, würde ihr niemand glauben. Oskar war tot und somit konnte niemand sie verteidigen, wenn sie angeklagtwurde. Falls es so weit kam, würde außerdem ans Licht kommen, dass sie eine Frau war. Viel schlimmer würde die Sache davon nicht werden, aber sie konnte sich einfach nicht mitschuldig an Morden machen, die nur ausgeübt wurden, um in den Besitz von Tabak und Kaffee zu kommen. Geld konnte man haben oder verlieren, aber ein Menschenleben war nicht zu ersetzen.
    Mit schmutzigen und zerkratzten Händen saß sie eine Stunde später auf dem Stuhl in ihrem Zimmer. Sie stand auf und ging auf wackligen Beinen zur

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