Die Waechter von Marstrand
am ganzen Leib. Welcher der Herren hat die Papiere der Dame bei sich?« Der Mann wandte ihr den Rücken zu, und Agnes blieb auf dem weichen Polster in der Achterkajüte sitzen. Nach der vergangenen Nacht und der Aufregung war sie am Ende ihrer Kräfte. Nun spitzte sie die Ohren, um mitzubekommen, was über die Papiere von Fräulein Agnes gesagt wurde. Gab es überhaupt welche an Bord?
Plötzlich ertönte Vaters Stimme. »Ich habe alle Dokumente, aber da sie mit Oskar Ahlgren verlobt ist, übergebe ich sie in seine Obhut.«
Agnes stiegen Tränen in die Augen. War das wirklich wahr? Hatte sie richtig gehört? Stand Vater da draußen und sagte, sie sei mit Oskar Ahlgren verlobt? Würden die Pastoren in den Kirchen von Bro und Marstrand an drei Sonntagen in Folge ihr und Oskars Aufgebot verkünden?Wenn niemand etwas dagegen einzuwenden hatte, konnten sie bald heiraten. Doch was war mit Bryngel? Würde er nichts dagegen haben?
»Wie ich sehe, ist alles in Ordnung«, sagte der Jagdleutnant. Agnes nahm nur seine blaue Uniform wahr, weil sie nicht wagte, ihm ins Gesicht zu sehen.
»Vielen Dank«, sagte Vater zu dem Zollbeamten. Anschließend war es eine Weile still. Agnes nahm an, der Mann wäre an Land gegangen.
»Wir müssen so schnell wie möglich weg«, sagte Oskar zu Vater und eilte zum Bug, um die Leinen loszumachen.
»Einen Augenblick, mein Herr«, sprach plötzlich ein Mann mit lauter und gebieterischer Stimme. Die Betriebsamkeit auf dem gesamten Kai schien zum Erliegen zu kommen, als sich Küstensergeant Höök vor das Schiff stellte.
»Ich bin gerade an Bord gewesen. Die Papiere sind in Ordnung«, erwiderte der Jagdleutnant mit der blauen Uniform.
»Haben Sie das ganze Schiff durchsucht?«
»In der Achterkajüte befand sich eine Dame, und da dachte ich …«
»Tun Sie es jetzt. Sofort. Suchen Sie nach einem Jüngling mit Namen Agne Sundberg.«
»Was hat er getan?«, fragte Vater.
»Er hat Waren geschmuggelt. Wir suchen ihn, weil uns zu Ohren gekommen ist, dass er an der Einfuhr unerlaubter Waren beteiligt war. Diese Waren wurden der Zollbehörde vorenthalten. Möglicherweise war Sundberg auch am Raub dieser Waren beteiligt.«
»Das sind ernsthafte Vorwürfe, die der Herr da anführt.« Vaters Stimme bebte nicht, aber Agnes merkte ihm trotzdem an, dass er besorgt war. »Wir sind gerade von Norden gekommen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir keinen Jüngling an Bord haben.«
Erneut schickte der hohe Beamte den Jagdleutnant auf das Schiff. Der Mann wurde aufgefordert, jeden Winkel nach Agne Sundberg abzusuchen. Rasch füllte sich der Kai mit Zollbeamten, die systematisch ein Schiff nach dem anderen überprüften. Segel wurden angehoben und jede Holzkiste geöffnet. Agnes kam ins Schwitzen, ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Irgendwo musste sich schließlich auch der Zollbeamte befinden, der Agne Sundbergs Ausreisepapiere ausgestellt hatte. Ihr armer Vater und der arme Oskar, wie mochte ihnen zumute sein? Vater musste sich doch für seine nichtsnutzige Tochter schämen. Und nun riskierte sie auch noch, dass sie alle ins Gefängnis kamen. Wer jemandem Unterschlupf gewährte, der auf der Flucht vor dem Gesetz war, konnte nicht erwarten, dass man gnädig mit ihm umging. Was mochte Oskar von ihr denken? Wollte er sie immer noch zur Frau nehmen, oder hatte er seine Meinung geändert?
Der Jagdleutnant entschuldigte sich bei Agnes und betrat noch einmal die Achterkajüte. Agnes saß zitternd da und erbrach sich schließlich in einen Eimer. Der Zollbeamte ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und guckte unter jedes Kissen und in jeden Seesack. Eine Weile überlegte sie, ob sie an Deck gehen sollte, fürchtete aber, von jemandem wiedererkannt zu werden. Der Zollbeamte, der nun Vaters Boot auf den Kopf stellte, hatte lediglich Agnes Andersdotter von Gut Näverkärr getroffen und keinen Fassmacher, der Arbeit in Widells Laden gefunden hatte.
Das war ihr Glück. Zwanzig Minuten später berichtete der Zollbeamte Küstensergeant Höök, auf dem Schiff sei alles in bester Ordnung. Da sich kein Fassmacher namens Agne Sundberg an Bord befinde, werde die Abreise genehmigt.
Langsam füllten sich die Segel mit Wind, und sie erreichten bald Oskar Ahlgrens Anlegesteg auf Klöverö.Erst als sie vor Anker lagen, fühlte sich Agnes allmählich sicher. Sie stieg an Deck und sah sich in der Bucht um, die sie fast drei Wochen zuvor verlassen hatten. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Vater schüttelte den Kopf, aber
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