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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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Agnes sah, dass er ebenfalls erleichtert war. Er nahm sie sogar in den Arm. Agnes konnte sich nicht erinnern, wann das zuletzt vorgekommen war. Vielleicht als ihre Mutter im Sterben lag.
    »Du bist ja schlimmer als ich in deinem Alter, und das will etwas heißen. Du kannst von Glück sagen, dass der Pastor aus Bro so eine hohe Meinung von dir hat. Und die wollen Sie wirklich heiraten, Oskar Ahlgren?«
    »Tja, das ist nichts für schwache Nerven«, lachte Oskar.
    »Was du dir geleistet hast, tut man einfach nicht.« Vater sah sie an.
    »Vater …«
    »Nein, nun hörst du mir mal zu. Ich hatte deine Mutter verloren, und plötzlich warst du auch weg. Der Letzte, der mit dir gesprochen hatte, schien der Pastor aus Bro gewesen zu sein. Er erzählte mir, du habest um ein Zeugnis für einen Fassmacher gebeten, der nach Marstrand wollte. Ich traute meinen Ohren kaum. Bryngel hat nicht viel gesagt, aber sein Vater wurde so wütend, dass er den Deckel der Brauttruhe zerschlug.«
    Als Bryngels Name fiel, blickte Oskar auf. Noch wagte Agnes nichts zu sagen. Vater fuhr fort:
    »Oskar hat mir alles erzählt. Da hatte ich es allerdings schon von anderer Seite erfahren. Eine der Mägde auf Vese wurde tot im Heuschober aufgefunden. Sie war so übel zugerichtet, dass Bryngel und sein Vater zum Verhör einbestellt wurden und erklären mussten, wie es dazu gekommen war.«
    »Verzeih mir, Vater. Ich wollte mit dir reden, aber …«
    »Dass ich dir verzeihe, hast du dem Pastor zu verdanken.Und Oskar, der sich mitten im Winter zu mir in den Norden gewagt hat, um mit mir zu sprechen. Was habe ich mir für Sorgen um dich gemacht. Du kleiner Dickkopf. Und meine besten Stiefel hast du auch geklaut. Komm her.« Er breitete die Arme aus, und Agnes schmiegte sich an ihn, so wie sie es als Kind getan hatte, als ihre Mutter noch lebte.
    An diesem Abend wurde auf dem Nordgård, dem Hof von Oskar Ahlgren und seiner zukünftigen Frau, ein Fest gefeiert. Agnes’ Herz drohte vor lauter Glück zu zerspringen. All die Sorgen, die sie sich um ihre eigene Sicherheit, aber auch um Oskar gemacht hatte, fielen nach und nach von ihr ab. Wie sehr hatte sie Vater vermisst. Er wiederum schien insgeheim stolz auf seine Tochter zu sein.
    »Manchmal frage ich mich wirklich, ob du nicht eigentlich ein Junge hättest werden sollen. Unser Schöpfer muss seine Meinung in der letzten Sekunde geändert haben.«
    »Gott sei Dank.« Oskar drückte ihre Hand.

13
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Vater alle Dokumente über den Bremsegård aufbewahrt hat«, sagte Astrid. »Mutter hätte es sicher getan, aber bei Vater weiß man nie.« Sie schüttelte den Kopf. Vendela wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte versucht, sich vorzustellen, wie es für Astrid sein musste, das Elternhaus zu verlieren, aber erst als Jessica und Rickard vorschlugen, den Bremsegård zu verkaufen, hatte sie es wirklich begriffen.
    »Wir beide dürfen den Hof nicht verlieren, Astrid. Das geht einfach nicht.«
    Astrid drehte sich lächelnd zu ihr um. Entweder sie hatte über Nacht Kraft getankt, oder der Kaffee und die Butterbrote hatten ihr neue Energie gegeben. Anstelle von Traurigkeit sah Vendela Entschlossenheit in den Augen der alten Dame.
    »Nein, meine Liebe, hier wird bei meiner Seel kein Hof verkauft. Ich habe das nämlich schon einmal durchgemacht, ein zweites Mal übersteht mein Herz das nicht. Zuerst habe ich meine Mutter verloren und dann den Hof.«
    Vendela senkte den Blick, während sie den Hof überquerten. Ihr würde es genauso gehen. Wie sollte sie esaushalten? Der Bremsegård war doch Charlies und ihre Oase, der Ort, an dem sie Ruhe und Kraft fanden.
    »Hast du eine Ahnung, wo wir mit der Suche beginnen sollten?«
    »Nicht die geringste«, erwiderte Astrid. »Ich kann mich dunkel an Unmengen von Papier erinnern. Der Hof war ja groß, und Großvater tauschte ständig Ackerstücke und -streifen mit den anderen Bauern auf der Insel, damit wir anstelle eines über die ganze Insel verteilten Flickenteppichs größere Felder und Äcker bekamen, die leichter zu pflügen und zu bestellen waren. Ein Sechzehntel hier und ein Achtel dort. Damit nahm er es teuflisch genau. Ich weiß aber nicht, wo all die Unterlagen abgeblieben sind. Es ist nicht einmal gesagt, dass sie vom Bremsegård mit hierhergekommen sind. Sobald der Hof verkauft war, suchte Vater das Weite. Wahrscheinlich wollte er so schnell wie möglich dem schlechten Gewissen entfliehen, das Mutter ihm machte – obwohl sie tot war.

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