Die Waechter von Marstrand
gehören.«
Charlie antwortete nicht. Er war offenbar in Gedanken versunken.
»Meinst du, wir können das Zeug mit hinausnehmen?«, fragte Vendela. »Es ist so schön in der Sonne.«
»Natürlich, es weht ja kein Wind.« Astrid räumte die Kaffeetassen und Teller ab und wusch sie im Spülbecken hinterm Haus ab.
Vendela holte einen Stapel Papier und trug ihn nach draußen.
»Darf ich mal sehen?« Charlie warf einen Blick auf das Blatt Papier, das Vendela ihm reichte, doch dann schüttelte er den Kopf. »Diese bescheuerten Buchstaben kann man ja gar nicht lesen.«
»Stimmt, es dauert ein wenig, bis man es entziffert hat, und die Formulierungen sind auch nicht unkompliziert.«
Astrid war mit dem Abwaschen fertig. Sie setzte sich den beiden gegenüber und schien etwas sagen zu wollen.
»Was ist denn, Astrid?«, fragte Charlie.
»Ach, nichts.« Sie griff nach einem Dokument und begann, es genau zu studieren.
Charlie rutschte von einer Pobacke auf die andere.
»Möchtest du ein bisschen Holz für mich hacken?«, fragte Astrid.
»Vielleicht später. Oder muss ich?«
»Ganz und gar nicht. Ich brauche erst im Herbst neues Brennholz. Bis dahin habe ich noch genug. Mach es, wenn du Lust dazu hast.«
»Okay. Danke für das Frühstück.« Er stand auf.
»Wo willst du hin?«, fragte Vendela und verfluchte im selben Moment ihr Kontrollbedürfnis. Sie befanden sich schließlich auf einer Insel.
Charlie zuckte mit den Schultern.
»Weiß nicht. Mal sehen.«
Er steckte die Hände in die Taschen seiner Shorts und ging nachdenklich davon.
Die Wrackplünderer von Klöverö 1814
Eines Abends machte sich Agnes nach einem Polterabend erst spät auf den Heimweg. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, lange zu bleiben, aber die Feier war so nett gewesen. Der Wind toste in den Baumkronen, und mitunter verdeckten schwarze Wolken den Mond. Agnes glaubte, jemanden rufen zu hören. Sie blieb stehen und lauschte. Da waren sie wieder, die lauten Schreie. Sie eilte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Die Wege in diesem Teil der Insel waren ihr nurhalb vertraut. Vorsichtig kletterte sie die glatten Klippen hinunter, die Rufe wurden nun lauter. Agnes sah zwei Schiffe auf Kollisionskurs, eine Minute später donnerten Holz und Holz mit dumpfem Krachen aufeinander. Der Mond beschien die erzürnte Wasseroberfläche. Das eine Schiff hatte ein Leck und drohte unterzugehen. Eine Frau wollte sich auf das andere Schiff flüchten. Sie hatte fast nichts an. Ihr Mann, der Kapitän des verunglückten Schiffs, rief ihr etwas zu. Die Frau drehte sich um und versuchte, dass weinende Kind aufzufangen, dass ihr der Mann hinterher warf, aber das Kind fiel in die See. Agnes rang nach Luft. Sie konnte nichts tun, die Menschen waren zu weit entfernt. Dort draußen war noch ein Schiff, warum kam es ihnen nicht zu Hilfe? Warum rettete die Besatzung die armen Menschen nicht? Kurz darauf schlug der Baum eines Segels um und schleuderte die Mutter dem Kind hinterher. Als der Kapitän sah, wie Frau und Kind ertranken, stürzte er sich von seinem sinkenden Schiff. Innerhalb von Sekunden wurden sie in die brodelnden Wellen hinabgesogen und verschwanden. Blitze beleuchteten den Himmel, und in der Ferne grollte das Gewitter. Agnes sah, wie die Männer da draußen versuchten, das beschädigte Boot ins flachere Wasser zu ziehen, bevor es sank. Bei diesem Wind war das schwer, wenn nicht gar unmöglich. Sie hielt sich die Ohren zu, konnte aber noch immer die verzweifelten Rufe des Kapitäns und das Weinen des Kindes hören. Ich muss nach Hause. Schnell, bevor mich jemand sieht. Es begann zu regnen, eiskalt und kräftig. Agnes hastete über die Klippen, stolperte und fiel hin. Sie zog sich eine Wunde am Bein zu, blieb jedoch erst stehen, als sie vollkommen außer Atem ihren Hof erreichte. Oskar war mit Lovisa eingeschlafen. Er erwachte und sah sie entsetzt an, als sie durchnässt, schmutzig und mit einem blutenden Bein vor ihm stand.
»Was ist passiert, Agnes?«
Agnes bekam kaum ein Wort heraus. »Sie sind ins Wasser gefallen. Sie sind alle ertrunken, aber die anderen haben nichts unternommen, um sie zu retten. Die Frau und das Kind. Der Mann hatte noch versucht, der Frau das Kind zu übergeben.«
»Beruhige dich. Ich verstehe kein Wort.«
Mit bebender Stimme erzählte sie, was sie gesehen hatte. Der Anblick würde sie ihr ganzes Leben lang verfolgen. Genau wie die Hilferufe. Die Männer im anderen Schiff, die die Familie einfach ihrem schrecklichen
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