Die Waechter von Marstrand
Schulter.
»Ja, ja.« Vendela ging die Treppe hinunter. Kurz vor dem Gartentor drehte sie sich noch einmal um und rief Jessica zu:
»Wenn du sowieso zu Astrid gehst, um Kartoffeln zu holen, kannst du sie gleich nach dem Brunnen fragen.«
»Nach welchem Brunnen?«, fragte Rickard erstaunt.
»Unser Brunnen befindet sich auf diesem Ackerstreifen, der nicht dabei war, als Papa den Hof gekauft hat. In der Praxis bedeutet das, dass er Astrid gehört. Vielleicht interessiert das auch den Makler.«
Vendela schlug die Gartenpforte hinter sich zu.
»Beruhige dich, Mama«, sagte Charlie besorgt. »Jetzt gehen wir erst mal baden.«
»Deine Schwester ist ja nicht ganz richtig im Kopf.« Jessica knallte die Einkaufstüten mit dem Gemüse auf die Arbeitsplatte.
»Der Bremsegård bedeutet ihr viel, sie hat sich hier schon immer wohler gefühlt als ich.«
»Willst du sie jetzt auch noch verteidigen?«
»Nein, ich versuche nur, es dir zu erklären.«
»Ja, ja, das ist jetzt auch scheißegal, Rickard. Wenn du hier in den Ferien das Haus abschleifen und den Abfluss reparieren willst, kannst du das ohne mich machen. Ich habe genug Verpflichtungen. Mein Job ist anstrengend genug.«
»Glaubst du nicht, dass Kinder auch anstrengend sind?«, fragte Rickard.
»Mit eigenen Kindern ist das was anderes. Charlie ist ein Tunichtgut, aber als alleinerziehende Mutter ohne Geld hat man es wahrscheinlich nicht leicht. Eigentlich müsste Vendela sich doch freuen, wenn sie ein bisschen Geld für sich und Charlie dazubekommt. Dann kann sie ihre Figur ein wenig aufmöbeln und lernt vielleicht einen Mann kennen.«
»Sie gibt ihr Bestes.« Rickard räumte die letzten Lebensmittel in den Kühlschrank.
»Ist das dein Ernst?«
»Ich wollte damit nur sagen, dass sie es nicht leicht hat. Wir haben gut reden, wir haben schließlich keine Kinder.«
»Was hat sie da von dem Brunnen gesagt? Könnte es sein, dass er sich auf dem Stück Land befindet, dass nicht verkauft wurde? Wir können doch kein Grundstück ohne Wasser verkaufen.« Jessica stapfte wütend durch die Küche.
»Weiß nicht«, erwiderte Rickard zerstreut. Er blätterte in dem alten Kochbuch und überlegte, was sie essen sollten.
»Dann müssen wir der Sache wohl nachgehen. Vor allem, da morgen der Makler kommt.« Jessica ging, um die Grundstückskarte vom Bremsegård zu suchen. Einige Minuten später war sie wieder in die Küche. »Sie ist nicht mehr da. Hallo? Rickard! Hier ist sie nicht.«
»Wer denn?«, fragte Rickard, der sich inzwischen entschieden hatte und die frischen Lebensmittel wieder aus dem Kühlschrank holte. »Wovon sprichst du?«
»Von der Karte natürlich. Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ich versuche, etwas für uns zu kochen. Vielleicht hat Vendela die Karte heute Morgen mit zu Astrid genommen«, sagte Rickard.
»Kannst du nicht hinübergehen und das mit dem Brunnen klären?«
»Jetzt?«
»Ja, jetzt. Das hielte ich für angemessen.«
»Aber ich koche doch gerade. Kannst du nicht rübergehen und ein paar Kartoffeln holen?«
»Ich scheiße auf Kartoffeln, mach doch einfach Nudeln. Aber nach dem Brunnen werde ich fragen, da kannst du Gift drauf nehmen.«
»Jess, meine Liebe, es ist keine gute Idee, hinüberzugehen, solange du so wütend bist. Außerdem ist es wahrscheinlich sowieso besser, wenn ich das mache. Ich erledige das morgen, bevor der Makler kommt.«
»Später, nachher, morgen. Ich mache es jetzt sofort, dann wissen wir Bescheid. Mein Gott, wir reden hier von einer alten Tante. Sie kann den Verkauf gar nicht verhindern. Es geht nur um die Frage, wie viel sie haben will. Das Haus, in dem sie wohnt, gehört doch auch uns, oder? Eine gute Verhandlungsbasis hat sie nicht.«
»Es lässt sich nicht alles verhandeln. Das hier ist ihr Elternhaus, und deswegen ist die Sache so heikel. Ich rede morgen mit ihr. Entweder nimmst du dir jetzt ein Glas Wein und setzt dich in den Garten, oder du fragst ganz lieb nach ein paar Kartoffeln. Aber sprich bitte nicht den Brunnen an. Versprichst du mir das?«
»Mal sehen, wie die Dinge sich entwickeln.« Jessica machte sich auf den Weg.
Verlorene Leben, 1835
Der Mann hatte sich längst entschieden. Agnes Carolina, wenn es ein Mädchen, und Oskar Theodor, wenn es ein Junge wurde. Mit zitternden Händen schrieb Lovisa zum zweiten Mal Agnes Carolina in Großvaters Familienbibel. Sie weinte nicht, aber sie hatte das Gefühl, nichts wäre mehr von Bedeutung. Sie fror mit den nackten Füßen auf dem kalten Fußboden. Ihr
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