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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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glaube, wir haben’s da mit einem Reisenden zu tun.«
    »Einem Reisenden?«
    »So nennt man Leute, die Frauen so was antun. Jedenfalls mein Daddy nannte die so.«
    »Was ist ein Reisender?«
    Miss Maggie erhob sich langsam aus ihrem Sessel, holte eine kleine grüne Dose aus dem Vitrinenschrank und kam zurück zum Tisch. Sie öffnete die Dose und steckte sich eine Portion Kautabak in den Mund.
    Ich ahnte, dass sie mir etwas erzählen wollte – der Tabak, die Weise, wie sie es sich im Sessel bequem machte, waren ihre Art, sich auf eine Geschichte vorzubereiten. Genau so hatte sie dagesessen, als sie mir von dem Baby und der riesigen Schlange im Ufergestrüpp des Flusses erzählt hatte, die 1910 getötet worden war. Man sagte, dass es eine fünfundvierzig Fuß lange, giftige Wasserschlange gewesen war, und als man sie aufschnitt, fand man ein Kind darin. Als ich Daddy diese Geschichte erzählt hatte, hatte er nur verächtlich geschnaubt.
    Draußen schob sich eine Wolke vor die Sonne und verdunkelte die verschmierten Fenster und das Licht, das durch die Fliegentür fiel. Ich sah zu, wie sich die Fliegen auf der Tür zu einem dunklen Knäuel versammelten, als wollten auch sie Miss Maggies Geschichte hören. Die Fliegen warfen einen Schatten auf den Boden und über den Tisch wie eine Regenwolke.
    Weit weg hörte ich das Holpern eines Wagens, gefolgt vom Knattern eines Autos. Es war ein heißer Tag, und wegen des kleinen Raumes und des Ofens war es hier in der Hütte besonders stickig. Ich fühlte mich wohl und wurde etwas schläfrig.
    »Der Reisende, das ist keiner, mit dem du was zu schaffen haben willst, Junge. So Leute wollen alles, um jeden Preis. Und dann machen sie einen Handel.«
    »Was für einen Handel?«
    »Mit’m Teufel.«
    »Nein. Keiner würde das tun.«
    »Mit’m Teufel, oh ja. Da war dieser Farbige, Dandy hieß der, um 1900 war das rum, als dieser olle Hurrikan Galveston weggepustet hat. Ich hab ’ne Schwester gehabt da unten, die ist ertrunken dabei.«
    »Wirklich?«
    »Hm-hm. Sie haben die ganzen Leichen auf einen Haufen gepackt und angezündet. Ich hab gehört, sie wär ertrunken, und wenn man ihren Körper finden würde, dann rauf auf den Haufen damit. Sie mussten das so machen, waren ja schließlich so viele Tote, Farbige. Weiße. Frauen und Kinder.«
    Das war interessant, aber ich wollte sie nicht zu weit von der Geschichte über Dandy und den Reisenden abschweifen lassen. »Was war mit Dandy?«, fragte ich.
    »Dandy«, sagte sie, »also, Dandy, der liebte es, Geige zu spielen. Aber gut war er da nicht drin. Er konnte die Geige nicht sprechen lassen. Er wollte so spielen wie die, die gut drin waren, aber außer ein, zwei Liedern, die er Verwandten vorspielte – wenn die sich nicht mit aller Kraft dagegen wehrten –, konnte er nix. Und weißt du, was er da gemacht hat, kleiner Mann?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Er hat sich Whiskey geholt, er hat ’n bisschen von getrunken, und dann hat er … Wasser rein gelassen. Du weißt schon. Reingepisst.«
    »In den Whiskey?«
    »In den Whiskey rein, oh ja. Bis die Flasche wieder voll war. Hat zurückgegeben, was er getrunken hatte, sozusagen. Dann hat er die Flasche zugeschraubt und sie geschüttelt. Und weißt du, warum er das gemacht hat?«
    »Nein.«
    »Weil man sagte, der alte Mann mag das so. Er denkt, Pisse gibt so ’nem Whiskey erst das richtige, na, Aroma.«
    »Der alte Mann?«
    »Der alte Mann hat viele Namen. Satan. Brezelbub. Der Teufel. Die Sache ist nur, du weißt nie, ob du dich mit dem Teufel persönlich unterhältst oder mit einem von seinen Dienern, aber das macht auch nichts. Dandy, weißt du, der versuchte, ein Reisender zu werden.«
    Miss Maggie machte eine Pause, um den Kautabak auszuspucken. Dafür hatte sie eine alte gesprungene Kaffeetasse, die auf einem Brett über dem Ofen hinter ihr stand und die sie jetzt auf den Tisch stellte. Sie spuckte aus, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und sagte: »Wenn du das richtig machen willst, also das, was Dandy machen wollte, dann gehst du runter zum Fluss, dorthin, wo der Wald am dichtesten ist, und da gibt’s dann so eine Weggabelung …«
    »Es gibt da überall Weggabelungen, Miss Maggie.«
    »Hm-hm. Aber der beste Platz, um sich mit’m Teufel zu treffen oder mit seinen Kumpanen, ist der tiefste Punkt der Wälder am Fluss, auf einem Pfad, der sich gabelt. Und du musst pünktlich genau da sein, wenn’s beide Hände hoch ist.«
    »Beide Hände hoch?«
    »Die Hände auf der Uhr,

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