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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Daddy.
    »Diese Frau war tot, als sie in den Fluss geworfen wurde. Sie hat hier auf der Stirn alle möglichen Schrammen, und dort, im Augenwinkel, ist etwas Kies. Kies aus dem Fluss. Leichen, die in den Fluss geworfen werden, drehen sich meistens so, dass das Gesicht nach unten zeigt. Die Strömung schleift sie mit sich und zerkratzt sie, wie hier, auf ihrer Stirn. Sie hatte etwas Wasser im Mund, in der Kehle und der Nase, aber nicht in der Lunge, deshalb nehme ich an, dass sie schon tot war.«
    »Das macht Sinn«, sagte Daddy. »Aber wenn er sie in den Fluss geschmissen hat, wie erklären Sie es sich dann, dass sie an einem Baum festgebunden war?«
    »Nun ja, in einem Punkt hat Dr. Stephenson vielleicht recht gehabt. Jemand hat die Leiche aus dem Wasser gezogen und ihr weitere Wunden zugefügt. So, wie ihre Brüste aufgeschnitten sind, sieht es aus, als wäre das hinterher passiert. Das sieht man daran, dass die Wunden nicht wirklich geblutet haben. Er hat ihre Leiche verwundet.«
    »Jesus Christus.«
    »Dann hat er sie mit Stacheldraht an den Baum gebunden, so, wie Ihr Junge sie gefunden hat. Hat noch ein paar Kletterpflanzen und solches Zeugs um sie gebunden und sie dann so dagelassen. Würde mich nicht wundern, wenn er noch ein paar Mal zurückgekommen ist und die Leiche mißbraucht hat. Wenn Ihr Junge sie nicht gefunden hätte, hätte er sich vielleicht noch öfter an ihr vergangen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass er das getan hätte.«
    »Aber das können Sie doch nicht wissen?«
    »Nein. Aber, wie gesagt, manche der Wunden sind ihr nach Ihrem Tod zugefügt worden. Vielleicht alle auf einmal – aber dagegen spricht, dass in manchen der Wunden viele Madeneier sind und in anderen weniger. In einigen Wunden hatten sich die Maden gerade erst eingenistet, als Ihr Junge die Leiche fand, und waren noch nicht ausgewachsen. Maden nehmen sich immer mehrere Wunden gleichzeitig vor. Die Fliegen setzen sich in alle Wunden und legen Eier. Der Grund, warum ein paar der Verletzungen nicht voller Eier waren, ist, dass die Viecher keine Zeit hatten, sie hineinzulegen.«
    Daddy dachte einen Moment lang darüber nach. »Wie Sie gesagt haben: Stephenson hatte vielleicht Recht. Es könnte ein anderer gewesen sein, der die Leiche gefunden hat und all diese Dinge mit ihr getan hat. Es heißt nicht, dass ein einziger Mensch das alles getan hat.«
    »Hm-hm … aber was glauben Sie? Was sagt Ihnen Ihr Bauch, Mr. Constable? Einer, der so etwas tut, tut gern mehr davon. Ich glaube, er hat sie weggeworfen, als wäre sie Abfall, in den Fluss – aber dann merkte er, dass er noch nicht genug hatte, kam zurück, zog sie wieder raus und erledigte den Rest.«
    »Aber wie konnte er denn wissen, wo sie war? Die Strömung hätte sie flussabwärts treiben können.«
    »Stimmt. Aber ich glaube, er hat sie festgebunden, bevor er sie hineingeschmissen hat, wie man ein Boot vertäut. Schauen Sie, hier. Sehen Sie die abgeriebene Haut um ihre Knöchel? Ich glaube, nachdem er sie getötet hatte, hat er sie mit einem Seil umwickelt und ins Wasser geworfen. Vielleicht hat er auch noch irgendein Gewicht an sie gebunden. So wusste er, wo er sie finden konnte. Und, nur der Vollständigkeit halber – hier, an ihrem Hintern, hat eine Schildkröte geknabbert.«
    Die Sonne kam hinter ihrer Wolke hervor. Sie war hell genug, um durch die Blätter des Paternosterbaums zu strahlen, und tauchte unsere unmittelbare Umgebung in grüne Schatten. Ich sah die Schatten unserer Köpfe auf dem Leichnam der Frau auf dem Tisch, und als Daddy hinaufschaute, zogen wir unsere Köpfe zurück.
    Wir sahen nicht noch einmal herunter. Wir saßen nur da und hörten zu. Dr. Tinn sagte: »Wissen Sie, hier wird sich keiner drum scheren, was aus ihr geworden ist.«
    Ich hörte nicht, ob Daddy antwortete. Dr. Tinn sprach weiter.
    »Sie ist zwar farbig, aber die Farbigen hier wollen keinen Ärger. Wenn einer von uns es getan hat und wir herausfinden sollten, wer, dann wird sich jemand darum kümmern. Wenn wir den Weißen sagen, ein Farbiger war’s, dann müssen wir alle dafür büßen.«
    »Vielleicht war’s ein Weißer.«
    »Das wäre ein noch besserer Grund für die Farbigen, sich nicht einzumischen.«
    »Können Sie veranlassen, dass sie ein ordentliches Begräbnis kriegt, und mich wissen lassen, wann es stattfindet?«
    »Das kann ich. Wir haben einen Friedhof, der jeden aufnimmt.«
    »Gut. Die Erde ist nicht wählerisch.«
    »Und die Würmer auch nicht«, sagte Dr. Tinn.

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