Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
sich schon um die Ihrigen, wenn sie können – und weil die weißen Gesetzeshüter sowieso nicht viel unternehmen würden. In diesem Fall war es so, dass keiner die Frau richtig kannte und niemand verdächtigt wurde. Es war genauso, wie es jetzt bei Jelda May Sykes ist. Man glaubt, ein Landstreicher hat sie umgebracht und ist mit dem nächsten Zug verschwunden.«
»Du sprachst von dreien.«
»Die dritte wurde im Fluss gefunden. Zuerst dachte man, sie wäre ertrunken. Cal sagte, es hätte Gerüchte gegeben, dass auch sie mit einem Messer traktiert worden war, aber er weiß nicht, ob das stimmt. Vielleicht gibt es da keine Parallelen.«
»Wann sind all diese Morde passiert?«
»Soweit ich weiß, wurde die Erste im Januar getötet. Bei der anderen weiß ich es nicht. Ich bin ja nicht mal sicher, ob da überhaupt was war. Vielleicht haben die Leute über etwas geredet, das Jahre zurückliegt, und Cal hat es aufgeschnappt. Oder der, der’s ihm erzählt hat, hat was missverstanden. Oder hat ihm einen Bären aufgebunden. Es ist immer schwer zu sagen, wenn’s um Farbige geht.«
»Wusste Mr. Fields von Jelda May Sykes?«
»Ja.«
Dann waren sie eine Zeit lang still. Durch unsere dünnen Wände konnte ich die Grillen draußen hören, und irgendwo unten am Flussufer quakten riesige Kröten.
»Jelda Mays Leiche«, fragte Mama. »Was passiert mit ihr? Wer kümmert sich darum?«
»Niemand. Liebling, ich habe eine kleine Anzahlung gemacht, damit sie ein Grab auf dem Friedhof von den Farbigen da unten bekommt. Ich weiß, wir haben das Geld nicht, aber …«
»Schon gut. Das ist in Ordnung. Du hast genau das Richtige getan.«
»Ich hab dem Priester da gesagt, ich geb ihm noch was, wenn ich’s habe.«
»Das war gut so, Jakob. Sehr gut.«
»Übrigens, der Constable drüben … weißt du, wer das ist?«
»Nein.«
»Red Woodrow.«
»Oh. Das hab ich nicht gewusst. Du?«
»Schon.«
»Du hast es nie erwähnt.«
»Wozu auch? Ich hab nicht mehr viel an die Sache gedacht, bis ich ihn heute wieder sah. Ich wollt es auch jetzt gar nicht erwähnen …«
»Komm, sei nicht kindisch.«
»… aber ich dachte, ich sollte es dir sagen. Ich will dir nichts verschweigen, was mich bedrückt. Er hat gesagt, ich soll dich grüßen.«
»Das hat er gesagt?«
»Ich hatte nicht vor, dir das zu sagen. Ich weiß auch nicht, warum ich’s tue …«
»Liebling, hör doch auf. Du weißt, nichts davon hatte auch nur die geringste Bedeutung.«
Der Ton zwischen Mama und Daddy hatte sich verändert. Er war fast förmlich geworden. Ich wusste nicht genau, was sich verändert hatte – aber etwas war anders, und es hatte mit Red Woodrow zu tun.
»Er sagte, ich soll mich raushalten.«
»Es ist sein Bezirk, oder?«
»Wie ich schon sagte: Der Mord hat aber hier stattgefunden, in meinem Bezirk. Der einzige Grund, warum die Leiche jetzt bei denen ist, ist, dass ich Dr. Tinns Hilfe brauchte.«
»Red ist manchmal ein wenig … na ja, empfindlich.«
»So kann man das auch nennen«, sagte Daddy.
»Jakob. Vergiss ihn einfach.«
»Würde ich ja gern.«
»Seine Ärmel?«
»Immer noch heruntergekrempelt.«
Sie wurden still. Ich legte mich auf den Rücken und sah zur Decke. Als ich die Augen schloß, sah ich wieder Jelda May Sykes, geschunden und geschwollen und mit Stacheldraht an den Baum gebunden. Dann war sie weg, sie verblasste einfach, nur ihre dunklen Augen blieben da, und dann wurden die dunklen Augen hell und ich sah weiße Zähne im dunklen Gesicht des gehörnten Ziegenmannes.
Plötzlich stand ich in der Mitte des schattigen Waldweges und sah ihn. Er kam auf mich zu.
Ich rannte los und hörte, dass er mir auf den Fersen war. Ich atmete schwer, und er atmete schwerer – aber nicht so, als sei er am Ende seiner Kräfte. Es war eher die beschleunigte, erregte Atmung von jemandem, der an etwas denkt, das gleich passieren und ihm großen Spaß machen wird.
Die Schatten der Bäume griffen nach mir und versuchten, mich festzuhalten, aber ich schüttelte sie ab. Gerade, als der Ziegenmann mich fast erreicht hatte, als er seine Hand auf meine Schulter legen wollte, erreichte ich die Straße der Prediger, und als ich über meine Schulter sah, war er verschwunden. Ich saß aufrecht im Bett, hellwach, und starrte an die Wand.
Es dauerte lange, bis ich wieder einschlief, und am Morgen wachte ich erschöpft auf; so erschöpft, als hätte mich die ganze Nacht lang der Teufel persönlich verfolgt.
8.
Nach einer Weile kehrte bei Tom und mir
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