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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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regelrechte Kapuze in seinem Schrank hat«, sagte Daddy, »kannst du aber drauf wetten, dass er eine im Kopf hat.«
    »Er war nicht immer so.«
    »Nein. Aber die Dinge ändern sich …«
    Mama wechselte schnell das Thema. »Aber wenn es nicht Mose ist, wer ist es dann?«
    »Als man mir die Sache mit Janice Willman erzählt hatte, bin ich hingefahren und habe mir ihre Leiche angesehen. Sie war voller Schnittwunden, ein Bein war bis zu ihrem Hals hochgebogen und der Fuß am Kopf festgebunden. Das scheint etwas zu sein, das er jeder von ihnen antut – die gleiche Art Fesselung.«
    »Bedeutet das irgendetwas, sie so zu fesseln?«
    »Ich weiß es nicht. Dr. Tinn glaubt das. Als ich ihm diese Leiche gezeigt und mit ihm darüber gesprochen habe, sagte er, er glaubt, diese Leute gehen nach einem Muster vor. Er hat ein paar Sachen darüber gelesen, und er glaubt, sie tun immer und immer wieder das gleiche. Mit ein paar kleinen Unterschieden, aber im Grunde das gleiche. Jack the Ripper hat immer auf die gleiche Art gemordet, nur, dass er bei jedem Mord ein wenig grausamer vorging als beim letzten. Dr. Tinn hat mir von ein paar anderen erzählt, über die er gelesen hat – und jetzt das. Alle Opfer sind zerschnitten. Alle sind irgendwie gefesselt oder angebunden, und alle im oder am Fluss. Oder sie waren zumindest eine Zeitlang im Fluss. Er spricht von Verbrechensmustern. Er sagt, er würde gern eine Arbeit darüber schreiben, aber er meint, als Farbiger kriegt er nie eine Chance, sie zu veröffentlichen.«
    »Das erklärt aber nicht, warum«, sagte Mama.
    »Nein. Das tut es nicht.«
    Ich begann wieder, wegzudösen. Ich dachte an Mose. Er hatte weißes Blut in sich. Rötliche Haare. Augen, so grün wie Blätter im Frühling. Die Haut schwarz wie Sirup. Vor kurzem erst hatte ich ihm zugewunken. Manchmal, wenn Daddy viel gejagt oder gefischt hatte, ist er bei Mose vorbeigegangen und hat ihm ein Eichhörnchen oder einen Fisch geschenkt. Mose war immer glücklich, uns zu sehen.
    Ich dachte wieder an den Ziegenmann. Ich dachte daran, wie er unter der Schwingenden Brücke gestanden hatte, wie er aus dem Schatten zu mir hochgesehen hatte. Ich dachte an ihn nahe an unserem Haus, wie er dastand, wie er uns ansah. Der Ziegenmann hatte diese Frauen getötet. Nicht Mose. Ich war mir ganz sicher. Da, im Auto, umweht vom kalten Oktoberwind, fing ich an, einen Plan zu schmieden, um den Ziegenmann zu finden und Mose zu befreien. Ich habe noch tagelang darüber gebrütet, und irgendwann kam ich auf etwas, das eine gute Idee zu sein schien.
    Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, wird mir klar, wie dumm und wild das Ganze war. Mein Plan war inspiriert von einem von Mrs. Canertons Büchern, Der Graf von Monte Christo.
    Aber diesen Plan, lächerlich, wie er war, habe ich nie in die Tat umgesetzt.
    *
    Am nächsten Tag ging Daddy in den Friseurladen, ich blieb zu Hause bei Mama und Tom, um Mama beim Einmachen zu helfen. Wir waren den ganzen Morgen und auch nach dem Lunch damit beschäftigt. Spät am Nachmittag schickte Mama Tom und mich nach draußen zum Spielen, sie selbst fing an, die Gläser mit dem eingemachten Gemüse in die Schränke zu räumen.
    Zum Einmachen benutzten wir Gläser. Es war viel Arbeit: Die Gläser mussten sterilisiert werden, mit gekochtem Gemüse gefüllt, versiegelt und verstaut werden. Ich war froh, von alldem wegzukommen. Tom und ich spielten Fangen am Waldrand und setzten uns dann unter die Eiche. Tom schlief sofort in ihrem Stuhl ein, ich ging zum Brunnen, um mir etwas Wasser zu holen. Ich war immer noch mit meinem Plan zur Rettung von Mose beschäftigt – auch wenn ich mich zu fragen begann, wovor ich ihn eigentlich retten wollte und wohin ich ihn bringen würde.
    Ich zog den Eimer hoch, trank aus dem Schöpflöffel, und als ich ihn weglegte, hörte ich, wie ein Auto vor unserem Haus hielt. Ich glaubte, es sei Daddy, vielleicht war er früher nach Hause gekommen, weil im Laden nichts los war, und ich ging um das Haus herum nach vorne, um nachzusehen.
    Als ich ankam, sah ich, dass das Auto ein schwarzer, zerbeulter Ford war. Der Mann, der ausstieg, trug einen großen grauen Cowboyhut und eine Pistole im Halfter auf der Hüfte. Er stand vor dem Ford, das rechte Knie vorgeschoben, und kratzte mit der Stiefelspitze auf dem Boden herum, genauso wie an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Er trug ein langärmliges, an den Handgelenken zugeknöpftes Hemd. Auf seinem Kragen waren Schweißflecken. Es war

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