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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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derselbe Mann, mit dem Daddy kurz hinter Pearl Creek geredet hatte. Der, den er aus einem Strudel gerettet hatte, als sie beide jung waren. Red.
    Er sah mich und lächelte. »Wie geht’s, Partner?«
    »Okay«, sagte ich.
    »Ist dein Daddy da?«
    »Meine Mama«, sagte ich.
    »Auch gut«, sagte er, »sag ihr, dass ich hier bin, ja?«
    Ich ging ins Haus und sagte Mama Bescheid. Als sie zur Haustür ging und Red im Hof stehen sah, bemerkte ich eine Veränderung in ihrem Gesicht. Ich kann es nicht beschreiben – es lag Überraschung darin, aber auch noch etwas anderes. Sie griff sich vorsichtig in die Haare, dann ließ sie die Hände sinken und strich ihr Kleid glatt.
    »Red«, sagte sie.
    »May Linn. Schön wie eh und je.«
    Sie errötete leicht. »Jakob ist nicht da.«
    Red stand im Hof und sah sich um, als könnte Daddy sich plötzlich aus der Luft materialisieren. »Wirklich nicht?«
    Natürlich war er nicht da. Ich hatte ihm doch schon gesagt, dass er nicht da war.
    »Na ja, vielleicht können wir beide uns ein paar Minuten unterhalten«, sagte Red. »Kommt er bald zurück?«
    »Ja«, sagte Mama. Und fügte hinzu: »Sehr bald.«
    »Darf ich reinkommen?«
    Mama zögerte. Sie sah mich an. »Harry, lass uns allein. Wir wollen ein bisschen unter Erwachsenen reden.«
    Ich zögerte, aber ging auf die Schlaf-Veranda und setzte mich auf die Schaukel. Als Red hereinkam und Mama die Tür schloß, öffnete der Luftzug die Verandatür einen Spalt. Ich stand auf, um sie zu schließen, schloß sie fast und hielt dann inne. Ich wusste, es gehörte sich nicht, anderer Leute Gespräche zu belauschen, aber ich konnte nicht anders.
    »Also gut, dann setz dich«, sagte Mama. Sie klang, als fühle sie sich unwohl und unsicher in ihrer Haut und in ihrem eigenen Haus. Ich kannte sie so nicht.
    »Danke«, sagte Red. Ich hörte das Rücken eines Stuhls, und dann folgte ein langer Moment der Stille.
    »Möchtest du einen Kaffee?«, fragte Mama.
    »Nein, danke. Kommt er bald wieder?«
    »Ich weiß nicht genau. Er schneidet so lang Haare, bis es keine mehr zu schneiden gibt.«
    »Ist lange her, nicht?«
    »Ja, das ist es.«
    »Hübsches Haus.«
    »Danke. Es ist nichts Besonderes. Jakob und ich haben es gebaut. Die Böden habe ich selbst genagelt. Meine Eltern haben uns geholfen.«
    »Der Boden sieht solide aus.«
    »Danke.«
    »Wie geht’s deinen Eltern? Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Sie sind nach Nord-Texas gezogen, vor ein paar Jahren. Mama wollte in der Nähe meiner Schwester Ida leben. Ida war krank und hatte Kinder, die versorgt werden mussten. Ida hat sich erholt, aber Daddy ist gestorben.«
    »Das tut mir leid. Wie geht’s deiner Mama?«
    »Das gleiche Energiebündel wie früher. Wir schreiben uns viel. Vielleicht zieht sie wieder in unsere Nähe.«
    »Aha. Das ist doch schön.«
    Wieder eine lange Stille. Eine Hummel summte hinter mir, ich drehte mich um und sah zu, wie sie immer wieder gegen die Scheibe der Verandatür flog.
    Mama brach das Schweigen. »Du kannst mir ja sagen, was du möchtest, und ich richte es Jakob aus.«
    »Ich sollte besser mit ihm selbst sprechen.«
    »Ist es wegen dieser Mordsache? Die farbigen Frauen?«
    »Ja.«
    »Jakob sagt, du willst nicht, dass er sich da einmischt.«
    »Erstmal befindet sich die Leiche gar nicht in seinem Bezirk.«
    »Sie ist hier gefunden worden.«
    »Ja, aber er hat sie nach Pearl Creek gebracht. Um sich von einem Haufen Nigger erklären zu lassen, was mit ihr passiert war. Du musst nicht einer von den Jungs aus der Großstadt sein, um zu wissen, was mit ihr passiert war.«
    »Er wollte wissen, wer sie war, genauso, wie er wissen wollte, was mit ihr passiert war.«
    »Das hätte Dr. Stephenson ihm sagen können.«
    »Dr. Stephenson ist ein Trinker, und außerdem ein Idiot. Und er wusste wohl kaum, wer sie war.«
    »Er kennt jeden Nigger in der Gegend. Er hat nichts gegen Nigger. Ich übrigens auch nicht.«
    »Trotzdem ist Stephenson ein Trinker und ein Idiot.«
    »Ich will nicht mit dir streiten, May Linn. Es gab eine Zeit …«
    »Wenn die Leiche hier gefunden wurde, in Jakobs Bezirk – wo ist dann das Problem, Red? Was geht dich das an? Du sagst, es ist nicht Jakobs Sache, aber es scheint, als wär’s mehr seine Sache als deine. Er hat sie in deinen Bezirk gebracht, um sie zu identifizieren, aber ermordet wurde sie hier.«
    »Wir wollen einfach keine Unruhe unter den Niggern stiften, May Linn. Das ist alles. Sie wissen, wo ihr Platz ist, und wenn Jakob

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