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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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eine günstige Stelle am Wasser und befestigten die Würmer auf den Haken. Wir begannen zu fischen, und Grandma begann zu reden.
    »Erinnerst du dich an mich, Harry?«
    »Ja, Ma’am. Ich erinnere mich daran, wie du ausgezogen bist. Ich erinnere mich gut an dich. An Grandpa auch.«
    »Ich bin froh, wieder hier zu sein.«
    »Ich erinnere mich nicht an dich«, sagte Tom.
    Grandma lachte. »Das dachte ich mir.«
    »Das mit Grandpa tut mir leid«, sagte ich.
    »Mir auch. Aber ich konnte nicht in der Nähe seines Grabes bleiben. Ein Grab ist nur ein Grab. Der Mann ist in meinem Herzen. Ich liebe meine Tochter Earlene, aber ich musste einfach zurück nach Ost-Texas. Sie haben keine Bäume da oben bei Amarillo.«
    »Keine Bäume?«, fragte Tom.
    »Sie nennen das zwar Bäume, aber es sind eher Büsche. Sie haben da nicht solche Flüsse und Bäche, wie’s sie hier gibt. Und auch nicht so viele Tiere. Und es ist viel schwieriger dort, etwas zu essen zu kriegen. Man kann nichts anbauen.«
    »Daddy sagt, die Zeiten sind hier auch schlecht«, sagte ich.
    »Sie sind überall schlecht. Aber das hier ist noch gar nichts, im Gegensatz zu Nord-Texas oder diesen armen Leuten in Oklahoma und Kansas.«
    »Wie meinst du das?«
    »Zunächst mal ist das Land da nicht fruchtbar. Hier kannst du irgendwo ein Samenkorn fallen lassen, und es wird aufgehen … Ha, es hat einer angebissen … verdammt! Hat sich den Wurm vom Haken geholt. Diese verfluchten Fische sind schlauer, als man denkt.«
    Grandma zog die Leine ein, und Tom steckte einen neuen Wurm auf ihren Haken.
    »Es war ganz schön hart da oben im Norden. Die Leute hatten gerade gepflanzt – Mais, Baumwolle, Bohnen und so –, und dann kam die Trockenheit. Kein einziger Regentropfen fiel, die Erde verkrustete. Ab und zu kamen ein paar Wolken vorbei, um uns Hoffnungen zu machen – aber sie dachten nicht daran, es regnen zu lassen. Irgendwann hörten sie auf, uns zu foppen, und machten sich aus dem Staub. Alles wurde gebraten. Der Mais wurde braun, die Ähren verschrumpelten wie Raupen auf einem heißen Blech. Die Erdfrüchte verrotteten in der Erde, und wenn sie ausgegraben wurden, waren sie wie knotiges Holz. Sie waren nicht genießbar, auch wenn man sie von jetzt bis nächsten Sonntag gekocht hätte. Die Baumwolle wuchs nicht, und die Bohnen verbrannten.
    Der Staub wurde so dick wie Puder. Der Wind kam, der wilde Nordwind, nahm den Dreck auf, machte eine Wolke daraus und blies ihn herum. Überall war Sand und Staub. Zwischen deinen Zähnen, in deinem Hintern, zwischen deinen Zehen, in jedem Essen, in jedem Getränk. Der verdammte Wind fand sogar Staub unter Felsen, den er herumwirbeln konnte, er saugte alle Flüssigkeit aus dem Boden und ließ uns nur Sand, der uns wie Wasser durch die Finger rann. Und dann gab es auch noch die Heuschrecken.«
    »Heuschrecken haben wir auch«, sagte Tom.
    »Klar habt ihr die. Aber eure sind nicht völlig ausgehungert und fressen nicht alles, was grün oder braun ist und auch nur ein wenig Leben in sich hat. Sie kamen von überall her, diese Heuschrecken. Sie fraßen alles, was wuchs oder wachsen sollte. Sie fraßen die Blätter von den Büschen, und sie fraßen diese Dinger, die sie da drüben Bäume nennen. Und immer hatte man sie in den Haaren. Es war eine Sauerei. Irgendwann wurden all die dunklen Staubwolken, die über dem Boden herumhingen, vom Wind in die Höhe getrieben, und der Himmel wurde so schwarz wie eine Priestersünde, außer an den paar Stellen, wo die Sonne durchsickerte wie ein schlafender, blutiger Kopf. All der Dreck wurde weggeblasen, Gott weiß wohin. Und alle Leute machten sich auf den Weg nach Kalifornien, um da Jobs als Pflücker zu bekommen. Sie machten sich in ihren alten Autos und Lastern auf den Weg, die genauso heruntergekommen waren wie die Körper und die Seelen, die darin wohnten.«
    »Pflücker?«, fragte ich.
    »Leute, die Früchte und Beeren pflücken, Harry. Was immer sie da anpflanzen, es muss gepflückt werden. Die Leute aus Oklahoma gehen in Hundertschaften dorthin. Texaner auch. Ich glaube, sie gehen den Wolken aus Staub nach, die der Wind weggeweht hat, so, wie man einem Traum nachgeht. Wie auch immer: alle sind nach Westen gegangen, und ich habe eben die andere Richtung eingeschlagen.«
    »Und Tante Earlene?«
    Grandma warf die Leine mit dem frischen Wurm ins Wasser.
    »Sie und ihr Mann waren auch verrückt auf Kalifornien. Sie haben gehört, es sei das gelobte Land, und also glauben sie’s. Ich wollte

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