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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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nicht so weit weg von Texas. Ich will in Texas sterben. Meinetwegen hier im Osten. Hier liege ich dann immerhin in fruchtbarer Erde und nicht in einer staubigen Grube. In dieser Erde leben wenigstens Würmer! Mir gefällt der Gedanke, dass ein Wurm und seine Freunde mich verspeisen, dann komme ich nach meinem Tod noch mal in ganz Texas rum.«
    »Das ist eklig, Grandma.«
    Sie lachte. »Finde ich nicht. Ich bin lieber das, was ein Wurm hinterlässt, als langsam in trockener Erde zu verrotten. Hier wird die Erde von Bäumen und Wurzeln zusammengehalten, und Bäche und Flüsse bewässern sie. Deshalb wollte ich hier sein. Und bisher habe ich viel zu wenig Zeit mit dir und Tom verbracht. Earlenes Söhne sind Teenager, sie haben ihre eigenen Pläne, und ich hoffe, dass ich bis ans Ende meiner Tage keine Baumwolle und keine Beere mehr pflücken muss; außer, wenn ich sie selbst essen will.«
    »Ich bin fast zwölf.«
    »Was?«
    »Du sagtest, Tante Earlenes Kinder seien Teenager. Ich bin auch einer. Also, fast.«
    »Er ist alt«, sagte Tom.
    »Ziemlich«, sagte Grandma. »Aber ihr durftet immer zu Hause bleiben, Harry. Sie haben euch nicht arbeiten geschickt, wie Earlene. Ihre Kinder mussten immer arbeiten, und in Kalifornien werden sie auch arbeiten müssen. Ich schätze, sie werden Kalifornien nicht halb so vielversprechend finden, wie sie dachten. Ich habe versucht, ihnen das zu sagen, aber es ist ihre Angelegenheit.«
    »Ich werde arbeiten.«
    »Natürlich. Aber nicht so wie sie … warum geht ihr eigentlich nicht in die Schule?«
    »Die Schule hat keinen Lehrer.«
    »So was! Ich habe ab und zu unterrichtet. Nicht, dass mein Englisch herausragend wäre – aber ich kann’s ganz gut, wenn ich will. Ich kann es sowieso nicht leiden, nichts zu tun zu haben. Also werde ich euch unterrichten. Zu Hause. Wir machen Lesen, Schreiben und Rechnen. Ich kann dir und Thomasia ordentlich was beibringen.«
    »Aber wir fangen nicht sofort an, oder?«
    »Nee.«
    »Sieh mal, Grandma«, sagte ich, »die riesige alte Schlange da.«
    Ein schwarzer Kopf war aus dem Wasser geschossen und näherte sich dem Ufer. Die giftigen Wasserschlangen machten mir immer eine Gänsehaut. Grandma nahm ihr Gewehr, zielte auf den Kopf und schoss. Der Kopf der Wasserschlange verschwand.
    »Ich hasse diese Hurensöhne«, sagte sie.
    Die Blätter fielen und bildeten einen Teppich unter unseren Füßen.
    Tom, mit dem Bauch voller Biskuits, Hasenbraten und Soße, aufgewärmt von der weichen Erde und schläfrig vom Geräusch der trudelnden Blätter, rollte sich zusammen, versuchte eine Weile, unserem Gespräch zuzuhören, schlief aber schnell ein.
    »Ist sie nicht süß?«, fragte Grandma.
    »Wenn sie schläft.«
    »Harry, dein Daddy wurde so wortkarg, als ich vorhin mit Mose angefangen habe. Ist irgendwas mit Mose?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Du lügst, Harry. Das sieht ein Blinder. Aber ich bin sicher, du tust es für deinen Daddy – also ist es eine verständliche Lüge.«
    Ich widersprach ihr nicht, sondern beschäftigte mich ausgiebig mit meiner Angel.
    »Wenn dein Daddy ein Geheimnis draus macht, wird er einen guten Grund dafür haben. Jakob ist ein guter Kerl … wenn auch ein bisschen aufbrausend.«
    »Daddy? Aufbrausend? Er regt sich manchmal über Tom und mich auf. Und er hat mir mal Wasser über den Kopf geschüttet, weil ich frech zu Mama gewesen war, und manchmal hat er uns versohlt, wenn wir was angestellt hatten – aber so richtig außer sich habe ich ihn noch nie erlebt.«
    »Kann er aber sein. Vielleicht ist aufbrausend auch das falsche Wort. Er verliert die Fassung nicht leicht – aber wenn er sie verliert, dann geht’s rund.«
    Ich bezweifelte das, sagte aber nichts.
    »Ich hoffe, du wirst das nie erleben. Es ist keine schöne Sache. Und ich hoffe auch, dass du es nicht geerbt hast. Es ist zu nichts gut. Jakob ist sehr stolz. Auf eine gute Art, meistens. Aber etwas nagt immer am Stolz, und wenn man zu viel davon hat, ist es kein Stolz mehr, sondern Hochmut. Und wenn man von einem hohen Ross fällt, ist es schwer, sich wieder aufzurappeln. Ich weiß, wovon ich spreche. Aber es gibt niemanden, der bessere Absichten hätte als dein Daddy.«
    »Grandma – kennst du Red Woodrow?«
    »Hast du ihn kennen gelernt?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Er war mal einer von den Verehrern deiner Mama. Sie hatte viele. Vielleicht kann man es sich nur schwer vorstellen, aber ich hatte auch einige zu meiner Zeit. Aber bei deiner Mutter verloren sie alle ihren Verstand.

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