Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
oder wenn ich – der Himmel soll’s verhüten! – einen gottverdammten Gospel anstimme …«
»Mama, ich bitte dich, deine Ausdrucksweise.«
»… dann fackelt bitte nicht lange und schießt mir eine Kugel in den Kopf. Gib mir mal die Biskuits. Und Harry, die Soße, bitte, aber halt diesmal nicht den Daumen rein.«
Wir aßen Kaninchenbraten und tunkten große luftige Biskuits in die Bratensoße, Biskuits, die Grandma gemacht hatte, und sie waren besser als Mamas. Nach dem Essen waren wir alle zu müde, um auf dem Feld zu arbeiten, und Daddy verkündete, dass, zur Feier des Tages, nur noch die unaufschiebbaren Dinge gemacht werden müssten und wir dann den Rest des Tages frei hätten. Im Friseurladen hatte Cecil mittlerweile freie Hand – er kam auch ohne Daddy klar. Das war auch gut so, denn Daddy hatte schon einiges damit zu tun, die Farm und seine Arbeit als Constable unter einen Hut zu bekommen.
Es war ein warmer, bewölkter Novembertag; das und mein voller Magen machten mich schläfrig. Ich ging mit Tom zur Schlaf-Veranda, wir setzten uns in die Schaukel und unterhielten uns.
»Sie erinnert mich an die Hexe in Hänsel und Gretel«, sagte Tom.
»Sie ist in Ordnung. Du kennst sie nur noch nicht gut. Gib ihr ein bisschen Zeit. Man kann viel mehr Spaß mit ihr haben als mit Mama und Daddy – und sie kriegt sogar noch schneller Ärger als wir.«
»Wirklich?«
»O ja. Als du klein warst, haben wir mit ihr und Grandpa zusammengewohnt. Sie sind dann weggezogen, und Grandpa ist gestorben.«
»Weiß ich. Ich war auch bei seiner Beerdigung.«
»Du erinnerst dich aber nicht dran, oder?«
»Ich hab gehört, dass ich da war.«
»Ich weiß es noch. War eine ganz schön lange Fahrt dahin und wieder zurück.«
»Wird sie hier bleiben?«
»Kann gut sein.«
»Das heißt, dass unser Zimmer ihr Zimmer wird, oder?«
»Wir könnten ja auf der Schlaf-Veranda schlafen. Vielleicht.«
Ich dachte darüber nach. Es hätte Vorteile. Es war kühl im Sommer, und wenn ich mein Bett an die Wand stellen würde, die an Mamas und Daddys Schlafzimmer grenzte, könnte ich ihre Gespräche noch besser belauschen als in unserem Zimmer.
Dumm war nur, dass es auf der Schlaf-Veranda im Winter kalt war wie der Hintern eines Brunnenbauers. Wahrscheinlich liefe es darauf hinaus, dass wir unsere Matratzen in der Küche ausrollen mussten.
»War Grandpa auch verrückt?«
»Ziemlich. Aber er war leiser.«
»Sie redet so laut, dass die Wände wackeln«, sagte Tom.
Grandma kam auf die Schlaf-Veranda. »Kommt jemand mit zum Fischen?«, fragte sie.
Daddy kam hinter ihr her. »Ich lasse sie nicht gern fischen gehen. Nicht in diesen Zeiten.«
Grandma guckte ihn an, als habe er etwas gesagt, das sogar ihr Taktgefühl verletzte. »Warum nicht?«
»Wir hatten vor kurzem ein paar Probleme«, sagte Daddy. Dann erzählte er ihr in aller Kürze von den Morden; den Besuch des Klans und Mose erwähnte er nicht.
»Aber ich bin doch bei ihnen, Jakob. Ich geh mit ihnen fischen.«
»Ich weiß nicht recht.«
»Komm schon, Daddy«, sagte Tom, »ich hab schon halb vergessen, wie man fischt.«
»Du kannst doch deswegen nicht ihr Leben einschränken«, sagte Grandma, »außerdem habe ich mein Gewehr mitgebracht. Ich nehm’s mit.«
Daddy hatte seine Zweifel, aber er sagte: »Geht aber nicht zu weit weg. Es gibt ein paar gute Stellen in der Nähe.«
»Die kenne ich«, sagte Grandma, »Mose hat uns diese ganzen Stellen gezeigt. Lebt der alte Mose noch?«
»Ja«, sagte Daddy.
»Wohnt er immer noch in derselben Hütte?«
Daddy nickte. »Aber mir wär’s lieber, wenn ihr nicht so weit rausgeht.«
»Also gut«, sagte Grandma, »was ist jetzt – dürfen sie?«
»Nur wenn du sie nicht aus den Augen lässt. Und bleibt nahe am Haus.«
*
Grandma zog sich einen Overall an. Tom und ich gruben ein paar Würmer aus und legten sie in eine Kaffeedose, packten Stöcke und das Zubehör ein, Grandma schulterte ihr doppelläufiges Gewehr, und dann gingen wir in die Wälder, hinunter zum Fluss.
Das Holz hatte an diesem Tag einen herben Geruch, und so, wie Sonne durch die hoch gewachsenen Bäume fiel, hatte man das Gefühl, in einer Kirche zu sein, wo das Licht durch bemaltes Glas fällt. Trockene Tannennadeln knackten unter unseren Füßen, verfärbte Blätter wirbelten hinter uns, dicht wie Regentropfen.
Ich fühlte mich immer noch schläfrig von all dem Essen, aber der Spaziergang belebte mich langsam wieder. Grandma führte uns zum Fluss, wir suchten uns
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