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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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aus dem Auto und sah genauso aus wie immer. Sie war etwas füllig, aber für eine ältere Frau sehr hübsch, groß und kräftig. Ihre braun-weißen Haare waren zu einem straffen Knoten gebunden. Sie trug braune geschnürte Arbeitsstiefel für Männer und eine Art Sackkleid, das wohl einmal grün gewesen, jetzt aber grau geworden war.
    »Hey, da ist ja die ganze Bande Heiden«, sagte sie, als wir aus dem Haus kamen. »O mein Gott, ist das etwa Tom?«
    Tom lugte hinter Mamas Rock hervor. Sie hatte Grandma nur einmal gesehen, als sie noch sehr klein war und nicht alt genug, um sich an diesen Wirbelwind von einer Grandma gewöhnt zu haben. »Komm mal her«, sagte Grandma.
    »Lieber nicht«, sagte Tom.
    Grandma warf ihren Kopf zurück und brach in donnerndes Gelächter aus. »Ist sie nicht der süßeste Schlingel, den die Welt je gesehen hat?«
    Toby fing vor lauter Schreck über ihr lautes Lachen zu bellen an.
    Mit einer eleganten Bewegung beugte sich Grandma zum Boden, nahm einen Klumpen Erde auf und warf ihn auf Toby. Das Geschoss löste sich auf, bevor es Toby erreichte, aber trotzdem verkrümelte er sich lieber unter die Veranda, wo er weiterbellte, bis Daddy ihn zum Schweigen brachte.
    Jetzt war ich an der Reihe. »Kleiner, komm rüber und gib mir einen Kuss.«
    Ich ging zu ihr hin. Grandma überwältigte mich immer, aber sie hatte etwas an sich, das einem ein Gefühl von Sicherheit und Zuversicht gab. Sie war stark. Sie hob mich hoch und stellte mich dann so hart wieder auf die Füße, dass mir die Zähne wackelten.
    Dann machte sie sich daran, meinen Daddy zu umarmen – sie hob auch ihn hoch –, und schließlich griff sie nach Mama, die abwinkte und sagte: »Jetzt beruhige dich mal, Mama. Ich bin nicht wie die Jungs, ich kann dieses ganze Hochgehebe nicht leiden.«
    Grandma lachte, packte Mama und gab ihr einen nassen Kuss auf die Wange. Obwohl Grandma Tabak kaute, rauchte und Unmengen Kaffee trank, waren ihre Zähne weiß wie die Elfenbeintasten eines Klaviers. Sie sagte, sie putze sie mit jungen Weidenzweigen und Backpulver, aber ich glaube, sie war einfach von der Natur gesegnet. Ich bezweifle, dass sie jemals ein Loch im Zahn hatte. Sie kaute immer Pfefferminzbonbons, wegen der Atemfrische, und hatte lauter Mengen davon in einer Papiertüte in ihrer Handtasche.
    »Liebes«, sagte sie zu mir, »hol doch mal das Kaninchen da von der Stoßstange. Mach es sauber und bring es mir, und ich mache uns ein richtig gutes Dinner.«
    Sie sprach vom Mittagessen. Lunch war etwas, das die Yankees in den Städten aßen. Das Abendessen nannten wir Supper.
    Ich sah Daddy an, weil ich nicht wusste, was ich in der Kaninchensache weiter unternehmen sollte. Er sagte zu Grandma: »June, dieses Kaninchen – ist das nicht schon ein bisschen alt?«
    »Ach, Dummheiten! Ich hab es zwei, drei Meilen von hier erwischt. Ist mir direkt vors Auto gehoppelt. Wahrscheinlich ist es noch warm. Du magst doch meinen Kaninchenbraten mit Klößen, oder?«
    »Schon«, sagte Daddy.
    »Na also«, sagte Grandma, »ein kostenloses Dinner! Jetzt halt den Mund, Jakob, und du, Liebes, hol mal das Kaninchen her.«
    Ich holte es. Daddy legte seinen Arm um mich. »Lass uns nach hinten gehen und es häuten«, sagte er.
    Grandma legte ihren Arm um Mamas Schultern. Tom hielt sich an Mamas Rock fest, falls Grandma sie in die Finger kriegen sollte, und sie gingen ins Haus.
    »Das da, Harry«, sagte Daddy, »ist ein menschlicher Tornado.«
    *
    Als wir das Kaninchen, das wirklich gut schmeckte, aufgegessen hatten und Grandma fast die ganze Zeit geredet hatte, auch während sie aß, sagte sie: »Ich liebe und vermisse Grandpa, aber ich bin froh, dass er tot ist.«
    »Sag doch so was nicht!«, sagte Mama.
    »Hatte er große Schmerzen?«, fragte Daddy.
    »Nein, nein. Gott sei Dank nicht. Aber er hat plötzlich angefangen, Gospels zu singen. Immer wieder hat er plötzlich damit losgelegt, und es gab nicht einen einzigen Ton, den er halten konnte – nicht mal, wenn er auf einem Tablett gelegen hätte! Es war das schiere Elend. Und man konnte ihn durch nichts dazu bringen, die Klappe zu halten. Ich glaube, es war einfach Zeit für ihn zu gehen – allein schon, damit ich das nicht mehr hören musste.«
    »Mama«, sagte meine Mama, »das ist furchtbar.«
    »Nein, ist es nicht. Er war nicht mehr der Hellste, und so vor sich hindämmern, das hätte er nicht gewollt. Er war ein kluger Mann, bevor das Alter ihn gepackt hat. Wenn ich jemals anfange, mit mir selbst zu reden,

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