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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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hervor, zwischen ein paar Bäumen. Ich versuchte, etwas zu erkennen. Ich sah einen Mann mit einem Hut, das war alles. Ich wollte ihn verfolgen, ließ die Idee aber sofort wieder fallen – Sally konnte nicht mit einem Auto Schritt halten. Schon bei dem bloßen Versuch würde sie tot umfallen.
    Ich stieg ab, band Sally an einen Baum und ging zu Miss Maggies Haus. Etwas, das ich nicht erklären kann, lag in der Luft. Vielleicht war es nur das Auto gewesen, das mich so aufgebracht hatte; aber es schien mir, als sei die Nacht voller Nadeln, die in meine Haut stachen.
    Ich ging die Stufen hoch auf Miss Maggies Veranda. Ich drehte mich um und guckte auf den Verschlag ihres Maultieres. Das Maultier war da. Das Schwein war auch da, es lag in einer Schlammpfütze in einer Ecke seines Unterstands. Die Fliegentür war zu, aber die Tür dahinter war angelehnt. Ich sah die Kerosinlampe auf dem Holzofen.
    Miss Maggie stellte die Lampe nie dorthin.
    Ich rief ihren Namen.
    Keine Antwort.
    Ich klopfte.
    Immer noch keine Antwort.
    Ich rief noch ein paar Mal. Als sie nicht reagierte, öffnete ich die Tür und ging hinein.
    »Miss Maggie«, sagte ich.
    Ich ging rüber zu dem Vorhang, der den Raum teilte, und rief dabei unausgesetzt ihren Namen. Ich zog den Vorhang zurück. Der Schein der Lampe fiel herein und warf ein öliges, oranges Licht auf Miss Maggies Bett. Sie trug eines ihrer Kleider aus Kartoffelsäcken. Sie lag auf dem Bett, die Arme über dem Kopf, als riefe sie etwas zum Himmel, ihre Handgelenke waren an die Wand gedrückt, ihre schmalen schwarzen Hände nach unten gebogen. Ihre Augen waren offen.
    Mein Magen zog sich zusammen, ich spürte einen sauren Geschmack hochsteigen. Ich rief ihren Namen. Ich trat einen Schritt vor und berührte sie vorsichtig an der Schulter. Ich fühlte ihre Wärme, aber sie antwortete nicht.
    »Miss Maggie«, sagte ich und begann zu weinen.
    Ich ging raus und schloss den Vorhang. Ich ging zur Lampe und blies sie aus.
    Dann ging ich auf die Veranda und stand eine Weile nur so da; ich sah in die Nacht. Die Nacht aber hatte mir nichts zu sagen. Irgendwann ging ich zurück zu Sally, ich ging wie im Traum. Ich band sie los, saß auf und machte mich auf den Weg nach Hause.
    Ich trieb sie nicht zu sehr an, aber ich ritt so schnell, wie sie konnte. In der Zwischenzeit versuchte ich, die Dinge im Kopf zusammenzufügen, ich dachte über das kaputte Rücklicht nach.
    Ein Mann sprang aus dem Dunkel und griff nach Sallys Zügeln.
    *
    »Harry«, sagte Daddy. »Tut mir leid, Junge. Ich wollte dich nicht erschrecken. Jemand hat das Auto gestohlen, deshalb geh ich zu Fuß. Fast hättest du mich übersehen.«
    »Du bist betrunken«, sagte ich.
    »Ich war betrunken«, sagte Daddy und ließ Sallys Zügel los. »Jetzt nicht mehr. Die Wanderung hat mich wieder nüchtern gemacht.«
    »Ich dachte, du wolltest deinen Rausch ausschlafen.«
    So, wie er den Kopf neigte, wusste ich, dass er fand, ich sei zu weit gegangen. Aber dann entspannte sich seine Haltung wieder.
    »Das Auto ist nicht gestohlen«, sagte ich. »Es steht wieder vor Cecils Haus. Wir brauchten es, um Grandmas Auto aus einem Graben zu ziehen. Ich bin in die Stadt geritten, um dich zu holen, aber du hast deinen Rausch ausgeschlafen.«
    »Es tut mir leid.«
    »Miss Maggie ist tot«, sagte ich.
    »Was?«
    »Sie ist tot. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, um dich zu holen. Ich dachte, vielleicht seiest du schon da und vielleicht nicht zu betrunken, um etwas zu unternehmen. Auch wenn man für Miss Maggie nichts mehr tun kann.«
    »Sie war sehr alt, Harry«, sagte Daddy, der jetzt fast an Sallys Rücken lehnte.
    Ich erzählte ihm von dem Auto und dem Rücklicht.
    »In Ordnung«, sagte Daddy, »ich setz mich hinter dich.«
    Mit einigen Schwierigkeiten zog er sich auf Sallys Rücken, und wir ritten zurück zu Miss Maggie.
    Drinnen entzündete Daddy die Lampe, zog den Vorhang zurück, setzte sich auf den Bettrand und sah Miss Maggie an. Dann schloss er ihre Augen. Er berührte ihre Haut.
    »Sie ist noch etwas warm.«
    »Sie war noch sehr warm, als ich sie gefunden habe«, sagte ich.
    Er hielt die Lampe nahe an ihr Gesicht. »Jemand hatte seine Hände an ihrer Kehle. Und dieses Kissen da auf dem Boden. Ich nehme an, dass er ihr das aufs Gesicht gedrückt hat. Sie ist ermordet worden, Harry.«
    Er sah mich an, als er das sagte, und im Licht der Laterne sah sein Gesicht aus, als wäre es aus Wachs.
    Ich glaube, in meinem Gesicht lag etwas, das er nicht sehen

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