Die Wälder von Albion
denn du hast eingewilligt, ihn zu sehen. Also mußt du dich an die Verabredung halten«, erwiderte Caillean. »Aber ich werde jeden Augenblick in Hörweite sein. Wenn man mich später fragt, kann ich schwören, daß ihr beide kein einziges Wort gesagt habt, das nicht auch in Gegenwart der Eltern hätte ausgesprochen werden können. Bist du damit einverstanden?«
Eilan nickte stumm und wollte gehen. Eigentlich war sie sogar etwas erleichtert. Wenn sie in Anwesenheit der älteren Priesterin mit Gaius reden mußte, dann bestand nicht die Gefahr, daß er von ihr etwas… Gefährliches… verlangen würde.
»Warte«, rief ihr Caillean nach. »Warum bist du damit zu mir gekommen? Du konntest doch nicht glauben, daß ich diese Sache billige!«
»Ich will nichts tun, was gegen die Regeln verstößt.« Eilan sah Caillean in die Augen. »Aber ich weiß, wie böse Zungen eine Geschichte ausschmücken können.« Sie lächelte schwach. »Ich habe darauf vertraut, daß du mir einen Rat geben würdest, den du für richtig hältst, und zwar unabhängig von deinen Gefühlen!«
Eilan drehte sich um und verließ die Priesterin. Aber mit einer gewissen Genugtuung sah sie noch die Röte, die Caillean in die Wangen stieg. Und nun wartete sie in dem Bewußtsein, daß sie wegen der strengen Zuschauerin nichts zu befürchten hatte.
Noch auf dem Weg zum Tor hätte sie die Frage, ob sie sich vor dem Wiedersehen mit Gaius fürchtete, ohne Zögern verneint. Aber als die Schatten immer kürzer wurden, stellte sie fest, wie ihre Angst wuchs, bis sie schließlich zitterte.
»O Caillean«, seufzte sie und blickte zu der anderen Frau hinüber, die auf einem Baumstamm saß und stickte, »was soll ich ihm nur sagen?«
»Wie soll ich das wissen? Das Treffen war deine Idee, nicht meine. Ich bin kaum die Richtige, um einer Frau zu raten, wie sie mit einem Mann umgehen soll. Ich kann nur darauf achten, daß alles, was ihr beide miteinander redet, so harmlos ist, daß ein Dritter es hören kann«, erwiderte Caillean spöttisch.
Eilan seufzte. Caillean hatte recht. Es konnte nichts Schlimmes geschehen. Sie vermutete zwar, daß Gaius über die Anwesenheit der Priesterin wenig erfreut sein würde, aber sie empfand Caillean in ihrer Nähe als Stütze und Trost.
Irgendwie hatte sie Cynrics Nachricht entnommen, daß Gaius genau um die Mittagszeit kommen würde. Aber als er nicht erschien, und die Zeit verging, beruhigte sie sich mit dem Gedanken, daß der Ritt von Deva einige Zeit dauern würde. In ihrer Aufregung setzte sie sich schließlich neben Caillean und griff hilfesuchend nach ihrer Hand, denn alle Ängste und Zweifel meldeten sich bereits wieder.
Mischte sie sich in eine Sache ein, die nichts mit ihr zu tun hatte? Nein, beruhigte sie sich. Die kleine Valeria war ihr anvertraut worden. Sie hatte von Lhiannon die Aufgabe erhalten, alles über ihre Verwandten herauszufinden, was sie in Erfahrung bringen konnte. In dieser Hinsicht hatte sie sich nichts vorzuwerfen. Ihr Herz begann heftig zu schlagen, als sie den Hufschlag eines Pferdes hörte.
Er saß am Rand der Lichtung ab und band sein Pferd an einem dicken Ast fest.
Sie sah ihn zum ersten Mal mit dem Helm und in Uniform der römischen Legion. Sie staunte, wie gut er darin aussah. Er wirkte größer. Der hellrote Helmbusch und der rote Mantel hoben seine dunklen Augen hervor.
Gaius kam langsam auf den dicken Stamm der umgestürzten Eiche zu, auf dem sie saßen, und blieb stehen. Wenn es ihn überraschte, zwei Frauen statt einer zu sehen, dann verriet er das nur mit dem kurzen Zucken der Wimpern. Er salutierte, nahm den Helm vom Kopf und klemmte ihn unter den Arm.
Eilan konnte den Blick nicht von ihm wenden. Noch nie hatte sie Gelegenheit gehabt, einen römischen Offizier länger als einen Augenblick aus so großer Nähe zu sehen. Sie mußte sich eingestehen, daß die Uniform den Unterschied zu ihnen, den Britonen, unterstrich.
Und doch sind wir nach ihren Gesetzen alle Römer. Sie haben das so gewollt und bestimmt.
Auch wenn ihr Vater und andere an der Eigenständigkeit und nicht an der Einheit der beiden Völker festhielten, dann änderte das nichts an dieser Tatsache.
Diese Einsicht war für Eilan wie eine Offenbarung, und in Gedanken wiederholte sie: Wir sind jetzt alle Römer…
Aber nachdem Gaius wirklich vor ihr stand, stellte sie mit Entsetzen fest, daß sie nicht mehr wußte, was sie ihm hatte sagen wollen. Eilan sah ihn wie gebannt an und brachte kein Wort über die
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