Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
haben, so ungestört - wenn man das als ungestört bezeichnen konnte - mit ihr zu sprechen. Wie gerne hätte er sie in die Arme genommen und richtig Abschied von ihr genommen. Aber unter den wachsamen Augen der Priesterin war das nicht möglich. Außerdem durfte er sich in seiner Lage nicht solchen Gedanken überlassen. Niedergeschlagen verneigte er sich höflich vor beiden Frauen und wünschte ihnen alles Gute.

    Als er davongeritten war, sah Eilan die Priesterin fragend an. Caillean blieb ihr die erwartete Antwort nicht schuldig.
    »Das ist also der Römer, der dich am hellichten Tag so sehr beschäftigt, daß du wie eine Schlafwandlerin zu nichts mehr zu gebrauchen bist.« Sie schüttelte den Kopf und stand auf. »Ich verstehe dich wirklich nicht. Ich habe nichts Besonderes an ihm entdecken können.«
    »Ich habe nicht erwartet, daß er dir gefallen würde«, entgegnete Eilan. »Aber er sieht gut aus.«
    »Nicht anders als jeder Römer«, murmelte Caillean, »oder irgendein anderer Mann. Ich finde, dein Ziehbruder Cynric sieht sehr viel besser aus. Er ist groß und hat ein gut geschnittenes Gesicht. Außerdem setzt er nicht voraus, daß die ganze Welt sich immer nur um ihn dreht.«
    Über Geschmack läßt sich nicht streiten, dachte Eilan. Sie fand an Cynric nichts Besonderes, aber Dieda war bis über beide Ohren in ihn verliebt. Trotzdem, Gaius war anders. Er war kein typischer Römer - o nein! Außerdem schien Gaius nicht besonders stolz auf seine römische Abstammung zu sein.
    Wie wäre er sonst bereit gewesen alles aufzugeben, nur um mich zu heiraten?
    Und das hatte er tun wollen! Soviel hatte sie von ihrem Vater erfahren. Aber wenn sie damals die Erlaubnis zur Heirat bekommen hätten, wäre sie jetzt nicht in Vernemeton gewesen.
    Es war alles so verwirrend. Sie wollte wirklich eine Priesterin werden, und nichts schien ihr schöner und wichtiger zu sein als das Leben in Vernemeton. Es gab so viele Männer, und keiner hätte sie verunsichern oder betören können. Bei den Festen fand sie die Männer eher abstoßend und viel zu brutal, um ihnen ein Leben lang als Frau ausgeliefert zu sein. Wie konnte es nur geschehen, daß sich Gaius immer wieder in ihr Herz stahl?
    »Eilan, du träumst schon wieder mit offenen Augen!« hörte sie Caillean sagen, und sie zuckte schuldbewußt zusammen. »Du solltest zu Senara gehen und ihr berichten, was du erfahren hast. Dann erwartet dich Latis. Wenn es dir gelingen sollte, ihr aufmerksam zuzuhören, dann wirst du vielleicht einmal ebensoviel über Heilkunde wissen wie Miellyn.«
    Nach dieser strengen Ermahnung widmete sich Eilan ihren Pflichten. Aber sie konnte nicht verhindern, daß sie in Gedanken unaufhörlich jedes Wort wiederholte, das Gaius zu ihr gesagt hatte.
    Ich werde ihn wiedersehen! Ich muß ihn wiedersehen!
    Gaius schien auch nach der Begegnung am Waldrand so sehr Teil ihres Lebens zu sein, daß sie ihn nicht aus ihrem Herzen verbannen konnte.
    Sie ermahnte sich immer wieder, daß ihre Gefühle für ihn nicht richtig seien. Sie war Priesterin und er ein römischer Offizier. Ohne eine Laune des Schicksals hätten sie sich nie gesehen. Auch dieses letzte Treffen war nur durch einen seltsamen Zufall zustande gekommen, und es war bestimmt das beste, ihn so schnell wie möglich zu vergessen.

    Als sie am Abend zu Lhiannon ging, empfing die Hohepriesterin sie sehr ungehalten.
    »Was habe ich gehört? Du hast dich außerhalb der Palisaden mit einem Mann getroffen? Dieses Verhalten schickt sich nicht für eine Priesterin von Vernemeton!« Dann fügte sie streng hinzu: »Du hast mich enttäuscht.«
    Eilan stieg vor Empörung das Blut ins Gesicht. Deshalb war Caillean als Zeugin bei der Begegnung dabei gewesen!
    »Ich habe kein Wort gesagt, das nicht in Gegenwart aller Priesterinnen hätte ausgesprochen werden können.«
    Lhiannon seufzte. »Ich bestreite das nicht. Aber Tatsache ist, daß nicht alle Priesterinnen zugegen waren, und deshalb wird es Gerede geben. Der Göttin sei Dank, Caillean war dabei, aber sie hätte die Begegnung verhindern müssen. Der Vorwurf… aber ich behaupte nicht, daß man jemandem einen Vorwurf machen kann… gilt ebensosehr ihr wie dir.«
    Lhiannon lehnte sich erschöpft in ihren Sitz zurück und blickte nachdenklich zur Decke. Sie schwieg eine Weile und sagte dann ruhig: »Caillean hätte wissen müssen, daß wir uns nicht einmal dem Verdacht eines Skandals aussetzen dürfen. Deshalb werde ich sie und nicht dich bestrafen.«
    Sie richtete sich

Weitere Kostenlose Bücher