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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Bestimmt mußte er auch bald eine gewisse Zeit in Rom verbringen, und er freute sich schon darauf. Doch zunächst mußte er sich einen gründlichen Einblick in die Regierungsgeschäfte der kleineren Hauptstadt der Provinz verschaffen.
    Das Jahr ging schneller vorüber, als er geglaubt hatte. Von Zeit zu Zeit erreichten sie beunruhigende Nachrichten aus Rom. Der Kaiser hatte sich für die nächsten zehn Jahre zum Konsul wählen lassen und auf Lebenszeit als Zensor.
    Die Patrizier murrten finster, das sei ein Anschlag, um die Kontrolle über den Senat zu bekommen, aber mehr konnten sie nicht tun, denn das Militär war mit dem Kaiser sehr zufrieden - er hatte mit diplomatischem Geschick den Sold um ein Drittel erhöht. Als Offizier konnte auch Gaius darüber nicht klagen, aber es war deutlich, aus welcher Richtung der Wind blies. Domitian schien noch mehr als seine Vorgänger die verbliebenen demokratischen Institutionen Roms als überholte und lästige Überbleibsel zu betrachten und entschlossen zu sein, sie abzuschaffen.
    Wenige Monate nach der Hochzeit bestellte Licinius einen Tutor - in erster Linie für Julia, wie er sagte. Sie sollte besseres Griechisch lernen und ein gepflegteres Latein. Zum großen Verdruß von Gaius forderte sein Schwiegervater jedoch auch ihn auf, am Unterricht teilzunehmen.
    »Wenn du nach Rom kommst«, erklärte Licinius, »mußt du gutes Griechisch sprechen… und ein aristokratisches Latein.«
    Gaius wehrte sich entschieden dagegen. Von frühester Kindheit an hatte sein Vater Tutoren für ihn angestellt. Deshalb sprach er Latein ebenso mühelos wie das Keltisch seiner Mutter.
    »Das gewöhnliche Latein ist für mich völlig ausreichend!« rief Gaius.
    »Auf einem Feldzug bestimmt«, sagte Julia, »aber du kannst mir glauben, es wäre besser für dich, im Senat keltisch zu sprechen als den vulgären Dialekt von Deva.«
    Dieses Argument saß, wie alles, was Julia wohlüberlegt zu sagen pflegte. Gaius wollte noch einwenden, daß sein Latein nicht besser oder schlechter sei als das seines Vaters, aber er schwieg, denn natürlich hatte Macellius nie vor den Senatoren in Rom sprechen müssen.
    Nun ja, es würde nicht schaden, die Sprache der Gebildeten zu lernen - und das war Griechisch. Gaius hatte Glück, denn der Unterricht dauerte nicht lange. Am Ende des Sommers war Julia schwanger. Es ging ihr so schlecht, und sie mußte sich so oft übergeben, daß der Tutor wieder entlassen wurde.
    Mittlerweile hatte Gaius jedoch Interesse an der griechischen Sprache gefunden. Er unterhielt sich mit den griechischen Haussklaven, vor allem mit Charis, Julias Zofe, die aus Mytilene, von der Insel Apollos, kam.
    Zu den Freigelassenen, die für ihn arbeiteten, gehörte der Sekretär eines ehemaligen Statthalters. Der Mann verdiente sich nur allzugern ein paar zusätzliche Sesterzen, indem er die Aussprache seines Vorgesetzten korrigierte und mit ihm die Reden Ciceros studierte. Das empfand Gaius als eine angenehme Methode, seinen Stil zu verbessern.
    Wenn Julias Kind geboren war, und sie den Unterricht wieder aufnehmen würde, dann würde er ihr jedenfalls weit voraussein.

    Der Winter verging. An ihrem ersten Hochzeitstag mußte Julia schon lange nicht mehr mit Übelkeit kämpfen. Sie protestierte nicht, als ihr Vater Gaius vorschlug, einen reichen Senator, der ein blühendes Weinhandelsunternehmen besaß und behauptete, die lange Reise nur wegen der guten Jagdmöglichkeiten unternommen zu haben, in die Wälder nördlich von Londinium zu begleiten, um eine besondere Jagdtrophäe mit nach Rom zu nehmen. Licinius hielt nicht viel von den Fähigkeiten des Mannes als Jäger, aber er kannte seine politische Macht. Der Senator fühlte sich sehr geschmeichelt, als der Prokurator ihm seinen Schwiegersohn als Begleiter zuteilte.
    Julia hatte gegen die vorübergehende Abwesenheit überhaupt nichts einzuwenden, sondern war im Grunde sogar erleichtert. Wie die meisten Männer hatte auch Gaius immer das Gefühl, das Eingeständnis von Schwierigkeiten sei ein Hilferuf. Da er ihr in dieser Lage wirklich nicht helfen konnte, reagierte er mittlerweile gereizt, wenn sie über Schmerzen klagte oder Angst vor der Geburt erkennen ließ. Darin unterschied er sich kaum von ihrem Vater, und Julia war viel zu stolz, um ihr Herz bei den Sklaven auszuschütten.
    An dem Vormittag, als Gaius zur Jagd aufbrach, entschloß sich Julia deshalb, zum Tempel der Juno zu gehen. Ihre Zofe Charis machte ihr auf dem ganzen Weg Vorhaltungen, und

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