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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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verbrannt.«
    »Wenn wir alle Völker der Welt in unserem Reich vereinigen wollen«, sagte Tacitus, »dann können wir nicht ihre Götter verbieten. Ich würde das nie tun, denn ich weiß, daß in der Halle eines germanischen Sippenführers mehr Ehre, mehr moralische Sauberkeit und mehr Frömmigkeit zu finden sind als in den meisten Häusern Roms. Ich sehe in den unterschiedlichen Kulten nichts Schlechtes, wenn die Rituale, die den Staat erhalten, immer an erster Stelle stehen.«
    »Das scheint der göttliche Augustus beabsichtigt zu haben, als er dafür sorgte, daß sich sein Kult im ganzen Reich ausbreitete«, sagte einer der alten Senatoren in der Runde. Es entstand ein kurzes Schweigen.
    » Dominus et Deus… « , sagte jemand leise, und Gaius erinnerte sich, gehört zu haben, daß der Kaiser es offenbar schätzte, wenn man ihn so ansprach.
    »Ja, das geht zu weit! Wir werden bald wieder dahin kommen, daß ein Caligula sein Pferd anbeten läßt.«
    Gaius hob erstaunt den Kopf und sah, daß diese Worte von Flavius Clemens, einem Verwandten des Kaisers, kamen.
    » Pietas ist das Wesen von Ehrerbietung und Pflichten in der Beziehung zwischen Menschen und Göttern und kann nicht der Eitelkeit eines Sterblichen dienen!« rief Senecio.
    »Sogar Augustus bestand darauf, ›Roma‹ mit seinem Namen in Verbindung zu bringen. Wir haben nicht den Menschen verehrt, sondern seinen Geist, den Gott, den er verkörperte. Wer glaubt, ein Mensch besitze die Weisheit und die Macht, über ein Reich wie das unsere zu herrschen, der ist wahrhaftig gottlos.«
    »In den Provinzen wirkt der Kult als einigende Kraft«, bemerkte Gaius, als sich wieder ein seltsames Schweigen ausbreitete. »Dort, wo niemand den Kaiser in Person kennt, kann man nur die Idee eines göttlichen Herrschers verehren. Unabhängig vom persönlichen Glauben können sich alle versammeln und zu Ehren des Kaisers Weihrauch verbrennen.«
    »Alle, nur nicht die Christen… «, warf jemand ein, und mit Ausnahme von Flavius Clemens lachte die Runde.
    »Es ist nicht notwendig, sie zu verfolgen, um noch mehr Märtyrer zu schaffen… «, sagte Tacitus. »Dieser Kult ist in erster Linie etwas für Sklaven und Frauen, und sie sind völlig zersplittert!« Er lachte abfällig. »Man kann davon ausgehen, daß sie sich gegenseitig umbringen werden, wenn man sie nur in Ruhe läßt.«
    Auf ein Zeichen von Malleus wurden Süßigkeiten und Käse gereicht. Danach kreiste das Gespräch um andere Dinge. Schließlich befand man sich im Kreis kultivierter Männer, die sich nicht zu religiösem Fanatismus hinreißen ließen.
    Aber Gaius konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob die römischen Tugenden - Frömmigkeit, Pflichterfüllung und moralische Verantwortung - genug seien für die Seele der Menschen. Vermutlich wurden viele Menschen von Kulten wie dem der Isis oder des Christus angezogen, weil die Staatsreligion so nüchtern und leblos war. Vielleicht waren aber auch die blutigen Rituale im Colosseum zur wahren Religion Roms geworden.
    Gaius erkannte jedoch noch etwas - unter den ernstzunehmenden Köpfen dieser Stadt, Männern, deren Gesellschaft er immer mehr zu schätzen lernte, wuchs die Opposition gegen den Kaiser. Solche Verbindungen brachten ihm bestimmt nicht die für eine Beförderung notwendige Fürsprache. Wenn es soweit kam, daß er zwischen Ehrgeiz und Ehre wählen mußte, wofür sollte er sich dann entscheiden?

    Bald nach seiner Ankunft in Rom übergab Gaius den Bericht des Licinius dem kaiserlichen Prokurator, dessen Fachleute, alles Freigelassene, sich an die Arbeit machten, den Inhalt in Hinblick auf die Entscheidungen des Kaisers zu verarbeiten und zu überprüfen. Doch der Senat besaß noch soviel Autorität, daß auch ihm diese Informationen vorgetragen werden mußten. Gaius stellte fest, daß der Einfluß seiner neuen Freunde ausreichte, damit er schließlich die Aufforderung erhielt, im Senat eine Rede zu halten. Anschließend sollte er dem Kaiser vorgestellt werden.
    Am Morgen seines Auftritts ließ sich Gaius mit besonderer Sorgfalt rasieren - alles, was mit Barbaren zu tun hatte, wurde in Rom mit Bärten in Verbindung gebracht. Manchmal fand Gaius allerdings, Ardanos und Bendeigid seien im Grunde kultivierter als er selbst. Das würde er der hohen Versammlung jedoch nicht erklären können.
    Gaius erschien sehr früh im Senat. Man führte ihn zu einem Sitz unter der Statue des göttlichen Augustus, der auf seinem Sockel stand und kalt und mißmutig auf ihn

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