Die Wälder von Albion
Hohenpriesterin.
»Caillean«, flüsterte Eilan, »du wirst einmal die Hohepriesterin von Avalon sein. Du wirst unsere Novizinnen mit auf die Insel nehmen… «
»Wann… ?« fragte Caillean, aber Eilan schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es nicht!« Sie seufzte, denn die Vision verschwand so schnell, wie sie gekommen war. »Avalon scheint mir ein sicherer Ort, den die Römer nicht erreichen können. Vielleicht sollten wir jetzt schon daran denken, einige Priesterinnen auf die Insel zu schicken.«
Das neue Amt machte es notwendig, daß Gaius viel im Land unterwegs war. Da sich das größte Vorratslager derzeit in Deva befand, wo die Zwanzigste Legion stationiert war, schien es nur vernünftig, mit seiner Familie auf einen Landsitz in der Nähe zu ziehen. Sie tauften das Haus Villa Severina. Es lag inmitten der sanft abfallenden Hänge im Süden etwas außerhalb der Stadt.
Julia verließ Londinium nur ungern, aber sie gewöhnte sich mit stoischer Gelassenheit an das Landleben, und bald nach ihrem Eintreffen im Westen brachte sie Zwillinge zur Welt. Sie nannte die beiden Mädchen Tertia und Quarta. Letztere war so winzig, daß man sie bald Quartilla nannte.
»Aber warum diese Namen?« fragte Licinius bei einem Besuch. Er war gekommen, um seine neuen Enkeltöchter zu sehen.
»Zweimal darfst du raten!« erwiderte Julia, aber ohne zu lachen. »In einen Krug ihrer Größe könnte man doch höchstens einen Viertelliter füllen… « Als ihr Vater sie verwirrt ansah, wurde ihr bewußt, daß ihre Antwort alles andere als komisch war. Trotzdem, Quartilla war winzig.
Julia konnte sich nur schwer damit abfinden, daß sie zwei Mädchen bekommen hatte. Als ihr Leib sich so gewaltig wölbte, hatte sie nicht mehr daran gezweifelt, daß sie Gaius diesmal endlich einen gesunden Jungen schenken würde. Dann kamen die langen und heftigen Wehen und… zwei Töchter, von denen eine auch noch ein schwächliches Kind war. Wie sollte sie da nicht niedergeschlagen sein?
Ihre Kräfte kehrten nur langsam zurück, denn bei der Geburt hatte sie größere Verletzungen davongetragen. Bald war deutlich, daß sie nicht genug Milch zum Stillen hatte. Sie überließ die Zwillinge ohne Gewissensbisse einer Amme. Je früher sie wieder schwanger werden würde, desto schneller konnte sie auf einen Sohn hoffen.
Der griechische Arzt sprach mit gerunzelter Stirn davon, sie müsse sich Zeit lassen. Eine nächste übereilte Schwangerschaft könne gefährlich für sie werden. Aber der Mann war nur ein Sklave, und Julias Drohungen verhinderten, daß er mit Gaius oder ihrem Vater darüber sprach.
Wenn ich wieder schwanger bin… dann werde ich der Juno einen Tempel in Deva bauen, wenn es sein muß. Aber das nächste Mal muß es ein Junge sein!
Die Säuglinge wuchsen heran, und Julia fand sich damit ab, die meiste Zeit im Jahr inmitten der Felder und fern von allen gesellschaftlichen Ereignissen der Hauptstadt zu leben. Nur den Winter verbrachte sie im Haus ihres Vaters in Londinium.
Licinius liebte seine Enkelkinder und hielt bereits Ausschau nach einflußreichen Familien, um die richtigen Ehen vorzubereiten.
Gaius zeigte als Vater wenig Interesse an seinen Töchtern. Aber Julia erwartete nichts anderes von ihm. Sie wußte, wenn sie manchmal ihre Migräne hatte, dann schlief er mit einer der Sklavinnen. Doch solange er auch seine ehelichen Pflichten erfüllte, konnte sie wenig dagegen einwenden.
Julia hatte geheiratet, um eine ehrenwerte Matrone zu sein und ihrem Vater den lang ersehnten Erben zu schenken. Die Beziehung zu Gaius beruhte auf gegenseitiger Achtung und verständnisvoller Zuneigung. Etwas anderes wäre für eine Römerin aus gutem Haus eher anstößig gewesen.
In Anbetracht der vielen Skandale und Scheidungen in Londinium, die selbst in diesem blassen Abglanz Roms mehr oder weniger zum Alltag gehörten, schienen Julia und Gaius zu den wenigen Ehepaaren zu gehören, denen es noch gelang, die alten römischen Tugenden zu wahren. Sie führten eine gute Ehe. Manchmal, wenn ihre Töchter im Garten der Villa spielten und ihre bunten Tuniken wie Blumen im grünen Gras leuchteten, hatte Julia das Gefühl, als Mutter vielleicht doch nicht völlig versagt zu haben.
Als die Zwillinge ihren zweiten Geburtstag feierten, war sie wieder schwanger.
Nach einer langen Regenzeit, in der sich die Kinder im Haus langweilten und ihr Jammern kaum noch zu ertragen war, wurde es endlich wieder warm.
Julia saß auf der Veranda, die sie gebaut hatten, als sie
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