Die Wälder von Albion
nicht mehr zum Gottesdienst kommen.«
»Ich möchte dir keine Schwierigkeiten bereiten, das wäre ein schlechter Dank«, sagte Julia und fügte hinzu: »Gaius wird dich begleiten… In diesem Teil der Stadt ist es zwar sicher, aber ehe du das Stadttor erreichst, könntest du Leuten begegnen, denen ein so junges Mädchen wie du besser nicht über den Weg laufen sollte.«
»Das ist nicht nötig, Domina… « , wehrte sie ab, aber Gaius fiel ihr ins Wort.
»Ich begleite dich gern. Ich wollte vor dem Essen ohnedies noch einmal über den Markt gehen. Ich begleite dich ein Stück, dann können wir beruhigt sein, und du wirst rechtzeitig nach Hause zurückkommen.«
Dann kann ich sie wenigstens fragen, was ein Mädchen aus Vernemeton bei den Christen zu suchen hat. Auf die Antwort bin ich sehr gespannt.
Senara hüllte sich sorgfältig in ihren Umhang - ein dunkler, einfacher Stoff, wie ihn eine Magd in einem guten Haushalt tragen würde. Gaius wartete geduldig, bis sie den Kindern einen Kuß gegeben hatte, und folgte ihr dann auf die Straße hinaus.
Es war ein stiller Nachmittag, und niemand beachtete sie. Aber selbst als die letzten Häuser hinter ihnen lagen, zog seine Begleiterin nicht die Kapuze vom Kopf.
Das Schweigen wurde bedrückend, und Gaius suchte verzweifelt nach einem harmlosen Thema.
»Wie lange gehst du schon zu den Gottesdiensten in dem neuen Tempel?« fragte er schließlich.
»Seit sie dort den Gottesdienst haben.«
»Und davor?«
»Als ich klein war, hat mich meine Mutter zu den Versammlungen im Haus eines der Stadtväter gelassen. Der Haushofmeister dort war Christ, und er hatte die Erlaubnis, das Quartier der Sklaven und Dienstboten dafür zu benutzen.«
»Aber du bist in Vernemeton… «, sagte er kopfschüttelnd.
»Das stimmt«, erwiderte sie ruhig. »Aber mich bindet kein Gelübde. Die Priesterinnen haben mich aufgenommen, weil ich eine Waise bin. Mein Vater ist Britone und lebt im Exil. Meine Mutter war Römerin. Sie ließ mich taufen, und als ich hörte, daß Vater Petros in der Hütte lebt, wollte ich mehr über diesen Glauben erfahren.«
Gaius blieb stehen. »Ich wußte schon beim ersten Mal, daß du Valeria sein mußt!«
Sie sah ihn erstaunt an, denn so hatte sie schon seit vielen Jahren niemand mehr genannt.
»Diesen Namen hat mir meine Mutter gegeben. Aber man nennt mich jetzt schon so lange Senara, daß ich den anderen Namen fast vergessen habe.« Sie fuhr schnell fort: »Vater Petros sagt, es ist meine Pflicht, den Priesterinnen zu gehorchen, auch wenn sie Heiden sind. In Vernemeton bin ich jedenfalls in Sicherheit. Er hat auch gesagt, die Druiden gehören zu den guten Heiden, die eines Tages gerettet werden, aber ich soll nicht das Gelübde ablegen. Der Apostel Paulus hat die Sklaven aufgefordert, ihren Herren zu dienen und zu gehorchen. Nur die Seele ist frei, der Leib ist den Gesetzen des Staates unterworfen, und ein rechtmäßiges Gelübde darf nicht gebrochen werden.«
»Soviel Vernunft scheinen sie noch nicht lange zu haben… «, murmelte Gaius und dachte an den hingerichteten Senator.
Senara redete weiter, ohne auf ihn zu achten. Hatte sie Angst oder freute sie sich, jemanden zu haben, der ihr zuhörte?
Sie ist so unschuldig wie Eilan, als sie noch jung war…
»In Vernemeton verlangt man von mir nicht, daß ich eine Sünde begehe, und die Frauen dort sind alle sehr gut. Aber ich möchte eine wahre Gläubige sein und in den Himmel kommen. Ich würde mich zwar davor fürchten, eine Märtyrerin zu werden, und zuerst hatte ich Angst, die Christen könnten von mir verlangen, für meinen Glauben zu sterben wie die Heiligen, von denen mir meine Mutter erzählt hat. Ich war damals noch sehr jung, aber ich kann mich noch gut an ihre Worte erinnern.«
»Der Staat verfolgt die Christen nicht mehr… «, sagte Gaius, und sie nickte. Dann sagte sie eifrig:
»Vater Petros hat heute abend von mir gesprochen. Ein paar Leute in der Gemeinde wissen, daß ich in Vernemeton bin, und sie verachten mich deshalb. Aber Vater Petros sagt, ich soll die Priesterinnen erst verlassen, wenn ich alt genug bin, für mich selbst zu sorgen… «
Wie seltsam, daß ein junges Mädchen sich so ernsthaft mit einer so unsinnigen Religion beschäftigt.
»Du meinst, bis Valerius für dich eine angemessene Heirat arrangiert?«
»O nein, ich werde nicht heiraten, sondern sehr wahrscheinlich einer frommen Schwesternschaft beitreten. Vater Petros sagt, im Himmel werden keine Ehen geschlossen, und dort
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