Die Wälder von Albion
»Aber wenn ich nicht den Mann meiner Wahl heiraten darf, dann will ich keinen heiraten, der auf dieser Erde lebt.«
Ihr Vater seufzte. »Wie du willst.« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde dich nicht zu einer Ehe zwingen. Aber ich werde dafür sorgen, daß Senara sich verlobt, ehe sie den Jungferngürtel trägt! Noch einmal möchte ich nicht diese Art Kampf mit einer Tochter erleben.«
Es regnete ununterbrochen viele Tage lang. Bäche und Flüsse schwollen an, Felder, Straßen und Wege wurden überflutet. Mairi würde bald ihr Kind zur Welt bringen, und das Schicksal ihres Mannes war noch immer ungewiß. Sie mußte sich eingestehen, daß es vermutlich klüger gewesen wäre, bis zur Geburt im Haus ihres Vaters zu bleiben. Aber nun war es zu spät. Bei diesem Wetter war der Weg dorthin noch gefährlicher, als wenn sie zu Hause blieb. Deshalb war Eilan in Begleitung von zwei Männern ihres Vaters zum Hof ihrer Schwester geritten, wie Bendeigid es befohlen hatte.
Sie weinte noch immer jede Nacht, wenn sie an Gaius dachte, aber sie war froh, daß sie zu Mairi gekommen war. Hier wurde sie gebraucht. Ihre Schwester konnte sich mit ihr unterhalten, und Mairis kleiner Sohn war unglücklich und verwirrt, weil seine Mutter ihn nicht mehr stillte. Außerdem vermißte er seinen Vater. Mairi war inzwischen so unförmig und schwerfällig, daß sie sich kaum noch mit ihm beschäftigen konnte. Aber Eilan nahm sich die Zeit, ihn mit einem Hornlöffel zu füttern. Und der Kleine lachte auch wieder, wenn sie mit ihm spielte.
Da der Regen nicht nachließ, dachte Eilan manchmal besorgt, sie werde möglicherweise allein mit ihrer Schwester sein, wenn das Kind auf die Welt kam. Aber Mairi beruhigte sie und erklärte, es sei verabredet, daß eine Priesterin von Vernemeton für die Entbindung komme.
»Alle Frauen in Vernemeton sind als Geburtshelferinnen ausgebildet, Schwesterchen.« Mairi rieb sich stöhnend den Rücken: »Du mußt dir also keine Sorgen um mich machen.«
»Wäre es nicht wunderbar, wenn sie uns Dieda schicken würden?«
»Das tun sie bestimmt nicht«, sagte Mairi. »Sie ist Novizin und darf im ersten Jahr das Heiligtum vermutlich nicht verlassen. Man hat mir aber versprochen, daß eine Priesterin kommen wird, die Lhiannon sehr nahe steht. Es ist eine Frau aus Eriu. Sie heißt Caillean.«
Mairi berichtete das so nüchtern, daß Eilan sich fragte, ob ihre Schwester diese Priesterin vielleicht nicht besonders mochte. Aber sie zog es vor, nicht zu fragen.
Drei Tage später traf Caillean ein. Die große Frau war so in Tücher und ihren Umhang gewickelt, daß man nur ihr Gesicht sah. Die schwarzen Haare und die leuchtend blauen Augen ließen ihre Haut weiß wie Milch erscheinen. Als sie die Umschlagtücher abgenommen hatte, trieb ihr ein Luftzug den Rauch von der Feuerstelle ins Gesicht, und die Priesterin mußte husten. Eilan füllte schnell einen Becher mit Bier und reichte ihn stumm der Frau.
Caillean sagte leise: »Danke, mein Kind, aber das darf ich nicht trinken. Wenn ich vielleicht etwas Wasser haben könnte… «
»Natürlich«, murmelte Eilan, wurde rot und füllte einen Becher aus dem Faß neben der Tür. »Ich könnte auch frisches Wasser vom Brunnen holen… «
»Nein, danke. Das ist gut genug«, sagte die Priesterin, nahm ihr den Becher ab und trank ihn leer. »Vielen Dank. Aber du bist nicht die Frau, die das Kind bekommt… Du bist ja selbst noch ein Kind.«
»Nein, es ist meine ältere Schwester Mairi«, murmelte Eilan. »Ich bin Eilan, Bendeigids Tochter. Ich habe noch eine jüngere Schwester. Sie heißt Senara und ist erst neun.«
»Ach so«, antwortete die Fremde, »ich heiße Caillean.«
»Ich habe dich an Beltane gesehen, aber da wußte ich noch nicht, wie du heißt. Ich dachte eigentlich, daß Lhiannons Helferin… «, sie brach verlegen ab, und Caillean beendete den Satz für sie.
»… älter und würdevoller ist?« Sie lachte leise. »Ich bin bei Lhiannon, seit sie mich an der Westküste von Eriu zu sich genommen hat. Ich war damals noch sehr jung. Inzwischen bin ich schon viele Jahre bei ihr.«
»Kennst du Dieda? Sie ist mir mit verwandt.«
»Aber ja. Dieda wohnt bei den Jungfrauen. Weißt du, wir sind viele in Vernemeton und wir gehören nicht alle demselben Orden an.«
Sie schwieg und betrachtete Eilan aufmerksam, dann nickte sie und sagte: »Ja, jetzt verstehe ich… . aber darüber reden wir später. Nun möchte ich zuerst einmal deine Schwester sehen.«
Eilan führte Caillean
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