Die Wälder von Albion
irgendeinem Dummkopf reden muß, der frisch aus Rom kommt und glaubt, alle Britonen laufen nackt und blau angemalt herum?«
Gaius wurde rot. Er ärgerte sich darüber, daß es seinem Vater immer wieder gelang, ihm das Gefühl zu geben, er sei noch ein Kind.
»Ich stehe zu deinen Diensten, Vater… und ich diene Rom«, fügte er förmlich hinzu. Er empfand diese politische Redewendung so hohl und nichtssagend, daß er fast glaubte, sein Vater werde ihn auslachen.
Ich werde ein Heuchler, dachte er mit zusammengebissenen Zähnen, aber zumindest ist es mir noch bewußt. Werde ich mich vielleicht so an die leeren Floskeln gewöhnen, daß ich dieselbe gönnerhafte Überlegenheit wie mein Vater zur Schau trage, wenn ich einmal so alt bin wie er?
»Fürchtest du vielleicht, die Beherrschung zu verlieren, wenn du Bendeigid begegnest, weil er dir die Hand seiner Tochter verweigert hat?« fragte Macellius, und als Gaius nur schweigend den Kopf senkte und auf den nassen Boden starrte, fügte er nicht unfreundlich hinzu: »Aber ich habe dir ja vorher gesagt, was du von dem alten Druiden zu erwarten hast.«
Gaius ballte die Fäuste und preßte die Lippen zusammen. Bei einer Auseinandersetzung mit seinem Vater zog er immer den Kürzeren, und er wußte, daß er jetzt, nachdem seine falsche Einschätzung Bendeigids bewiesen war, erst recht keine Chance hatte. Aber die Worte seines Vaters schmerzten wie Salz in einer offenen Wunde.
»Das hast du gesagt, und du hattest recht«, erwiderte er schließlich tonlos. »Such jetzt meinetwegen die Frau für mich, die dir gefällt… eine junge Frau mit breiten Hüften und der richtigen Abstammung… Warum nicht diese Julia oder auch eine andere? Ich kann dir versichern, ich werde meine Pflicht erfüllen.«
»Du bist ein Römer, und ich erwarte von dir, daß du dich wie ein Römer verhältst«, sagte Macellius scharf. Aber er mahnte sich sofort zu Ruhe und Geduld. Deshalb fügte er einlenkend hinzu: »Du hast dich ehrenhaft verhalten und das wirst du auch weiterhin tun. In Junos Namen, mein Junge, die Frau, die du geliebt hast, ist vielleicht in Gefahr. Auch wenn du sie nicht heiraten kannst, wirst du doch bestimmt alles tun wollen, damit sie in Sicherheit ist.«
Darauf konnte Gaius natürlich nichts erwidern. Er spürte einen dumpfen Knoten der Angst. Aber er fürchtete nicht um sein Leben, als er salutierte und den Raum verließ.
Vielleicht habe ich nur Angst davor, ihnen allen wieder unter die Augen zu treten… . dachte Gaius, als der kleine Reitertrupp durch das Lagertor ritt und den Hügel hinuntertrabte.
In gewisser Weise habe ich ihr Vertrauen mißbraucht, und sie waren alle freundlich zu mir…
Während der Vorbereitungen für diese Mission, beim Auswählen der Männer und dem Packen der Vorräte, war es ihm gelungen, seine Gefühle zu unterdrücken, aber jetzt erfaßte ihn wieder ohnmächtige Verzweiflung.
Er hatte nur Cynric einmal gesehen, seit er Bendeigids Haus verlassen hatte. Auf dem Markt in Deva drehte er sich eines Tages zufällig um, und sein Blick fiel auf den jungen blonden Riesen, der mit einem Schmied um ein Schwert feilschte. Cynric war so sehr in das Gespräch vertieft, daß er Gaius nicht bemerkte. Trotz aller militärischen Ausbildung machte Gaius auf dem Absatz kehrt und nahm - um ehrlich zu sein - Reißaus. Kurz zuvor war Bendeigids Antwort eingetroffen. Gaius wußte, wenn der Druide seiner Familie von dem Heiratsantrag und der Ablehnung erzählt hatte, dann war er entehrt. Sollte der Druide das nicht getan haben, konnte Cynric nur annehmen, daß Gaius sie alle betrogen hatte, wenn er ihn hier in Deva in der Uniform eines römischen Tribuns sah.
Gaius gestand sich ein, daß Eilans Vater eine in Anbetracht der Umstände sehr maßvolle Antwort gegeben hatte.
Wer hat dem Druiden wohl geholfen, in Latein zu antworten?
Gaius hatte die Schreibtafeln, auf denen die Antwort stand, verbrannt, aber die Worte blieben in sein Gedächtnis eingemeißelt. Die Antwort war einfach und klar gewesen. Der Druide hielt es nicht für richtig, seine Tochter verheiraten, weil sie viel zu jung und weil Gaius ein Römer war.
Gaius hatte daraufhin beschlossen, die ganze Sache einfach zu vergessen. Jawohl, er war Römer und hatte als solcher gelernt, seine Gedanken und seinen Körper mit eiserner Disziplin unter Kontrolle zu halten.
Aber den Entschluß in die Tat umzusetzen, war nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte. Tagsüber gelang es ihm, seine Gedanken
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