Die Wälder von Albion
außer uns auch noch Menschen gibt, die unsere Hilfe brauchen.« Eilan nickte zustimmend und senkte den Kopf. Das nächste Fest war wieder Beltane. Sie erschrak. Der Friede, den sie in Vernemeton gefunden hatte, schien plötzlich bedroht.
Bin ich wirklich bereit? fragte sie sich beklommen.
11. Kapitel
Gaius war seit über zwei Jahren nicht im Land der Cornovier gewesen. Sein Vater hatte festgestellt, daß Gaius nach der Rückkehr von seinem Erkundungsritt durch das Gebiet der Cornovier, auf dem er vor den Ruinen von Bendeigids Haus gestanden hatte, nicht mehr von der Tochter des Druiden sprach. Vermutlich hielt er sie für tot, und Macellius hütete sich, ihm zu sagen, daß sie lebte und im Heiligtum von Vernemeton zur Priesterin ausgebildet wurde - das wußte er von Ardanos. Er unterließ es jedoch taktvoll, über eine mögliche Heirat zu sprechen. Das hatte Zeit, außerdem mußte eine so weitreichende Entscheidung mit großer Umsicht vorbereitet werden. Gaius sollte ein in jeder Hinsicht wünschenswerter Bewerber für Julia, die Tochter des Licinius, sein. Deshalb verschaffte er seinem Sohn zunächst einmal eine Stelle im Stab des Statthalters.
Gaius ritt also in Agricolas Gefolge kreuz und quer durch Alba in einer Kampagne, die der Befriedung der Stämme im nördlichen Tiefland diente - zumindest hoffte man das. Dabei kam es zu erbitterten Kämpfen, bei denen auf beiden Seiten viel Blut floß.
Für einen aktiven Offizier im römischen Heer galt Liebeskummer als eine Schwäche, die er zu überwinden hatte. Gaius erfüllte seine Pflichten; und wenn eine Frau mit blonden Haaren und grauen Augen die alten Wunden schmerzen ließ, dann achtete er darauf, nur dort zu weinen, wo niemand ihn sah.
Er machte seine Sache gut, und als der Feldzug in Alba vorübergehend zum Stillstand kam, belohnte man seinen Einsatz mit dem Auftrag, einen Trupp Verwundeter in das Standquartier der Legion nach Deva zurückzubegleiten. Die Zwanzigste Legion wurde indessen in das caledonische Hochland verlegt, wo eine neue Festung errichtet werden sollte.
Deshalb befand sich Gaius plötzlich wieder im Süden. Er ritt mit einem Centurio an der Seite auf der Straße, die zu den Wäldern von Vernemeton führte, während seine Truppe hinter ihnen marschierte.
»Wir brauchen einen Mann, dem wir vertrauen können. Er soll sich bei dem Fest unauffällig unter die Menge mischen, und im Augenblick bist du der einzige hier, der die Sprache der Stämme so gut spricht, daß du kein Aufsehen erregst. Mein Junge, früher oder später wirst du Bendeigid oder seinem Sohn doch begegnen. Weshalb bringst du es also nicht einfach hinter dich?«, sagte sein Vater, als Gaius den Auftrag entschieden ablehnte.
Als er sich dann doch auf den Weg machte und schließlich den flachen, unbewaldeten Gipfel der Hügelfestung vor sich sah, der sich hoch über die grünen Baumwipfel erhob, als er das Lachen und Lärmen der vielen Menschen hörte, die sich, mit Blumengirlanden auf den Köpfen, voll freudiger Erwartung auf dem Weg zum Tor drängten, und als er die fröhlichen Hirten sah, die ihre Rinder, Schafe und Ziegen auf den großen Viehmarkt trieben, wäre er am liebsten wieder umgekehrt. Wann würde es ihm endlich gelingen, sich gegen seinen Vater zu behaupten?
Noch im Wald zügelte er sein Pferd und hob die Hand. Der Centurio rief einen Befehl, und die Männer blieben stehen.
»Sieht alles friedlich aus«, sagte der Centurio. »Wohin man auch kommt, die Märkte sind eigentlich überall das gleiche - Gaukler, Musikanten und Wahrsager, die die Schaulustigen anlocken, Heiler für die Kranken, und es wird viel getrunken, gelacht und getanzt. Das größte Geschäft machen die Händler und die Priester. Die einen verkaufen ihre Ware, die anderen ihre Seele.« Er lachte laut. »Aber es kann gefährlich werden, wenn die Priester und ihre Götter sich einmischen und die Menschen völlig den Verstand verlieren.«
Der Centurio blickte sich neugierig um. Gaius wußte bereits, daß der Mann sehr gesprächig war, ganz gleich, ob ihm jemand zuhörte oder nicht.
»Ich habe in den ersten drei Jahren bei den Legionen in Ägypten gedient. Sie haben dort für jeden Wochentag einen Gott, und jeder Gott hat sein eigenes Fest. Manchmal kommt es zu blutigen Kämpfen, wenn sich zwei Prozessionen in der Stadtmitte begegnen.«
»Ach ja?« warf Gaius höflich ein, obwohl es ihm völlig gleichgültig war, ob der Mann in Ägypten oder am Ende der Welt gedient hatte. Er sah über sich das
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