Die Waffen des Lichtboten
einer Missgeburt, eine Rundung, von tiefen, ausgewaschenen Windungen und Spalten durchzogen wie das bloßliegende Gehirn eines Schlachttieres. Ein vorspringender Erker trug, wie die Nase eines Totenschädels, kleinere Öffnungen und eine seltsame Maserung des Gesteins. Der untere Kiefer dieses phantastischen, zufälligen Gebildes fehlte und wurde durch ein breites Feld aus dunklem Geröll ersetzt, das in eine torähnliche Mundöffnung hineinführte.
Fafhad galoppierte, seinen knotigen Stab mit der Rechten festklammernd, genau auf das Tor zu, zügelte sein Pferd und ließ es auf den Hinterbeinen hochsteigen. Das Tier stieß ein grelles Wiehern aus und wirbelte die Vorderläufe durch die Luft. »Hier sind wir, Luxon!« rief Fafhad. »Siehst du jetzt, dass sich kein Heer hier verbergen kann?«
»Selbst wenn es gut versteckt ist, hast du unsere Ankunft laut genug angekündigt«, gab Luxon zurück. Ohne dass er etwas zu sagen brauchte, stoben Socorra und der Vogelreiter nach rechts und links davon und begannen, den Fels zu umrunden. Aus der unmittelbaren Nähe betrachtet, verlor er seine furchterregende Form und sein drohendes Aussehen. Aber unverändert klaffte der Eingang auf wie ein riesiges Maul, wie ein halber Kiefer mit Zähnen aus hellerem Gestein.
Kalathee und Samed glitten aus den Sätteln und beruhigten ihre aufgeregten Pferde. Das Orhako kam leise kreischend um den Felsen gebogen, den stämmigen Hals weit nach vorn gestreckt.
Syreno machte eine Bewegung, die ausdrückte, dass er keinerlei Gefahr fürchtete und keinen Hinterhalt.
Luxon schob seinen Unterarm durch die Griffe des Sonnenschilds, legte die Hand an den Griff Altons und warf Fafhad einen Blick zu, den der dunkelhäutige Mann nicht deuten konnte.
»Auch dein Herr hat gehört, dass wir gekommen sind!« sagte er .
»So ist es«, meinte Fafhad. »Er erwartet dich. Wenn er deine Freunde sehen will, wird er dies durch mich kundtun.«
»Ich bin einverstanden«, sagte Luxon und folgte Fafhad. Der Gomale warf Samed die Zügel zu und ging entschlossen vorwärts. Nach wenigen Schritten umfing die Männer die Dunkelheit der Felshöhle. Auf dem Geröll lagen lange Steinsplitter, die unter den Tritten zerbarsten. Die Höhle verengte sich. Die Wände eines immer schmaler und niedriger werdenden Ganges wirkten, als wären sie von einem reißenden Wildbach in äonenlanger Arbeit ausgewaschen worden.
Luxons Stimme hallte schaurig, als er sagte: »Dein Herr hat sich ein gutes Versteck gesucht. Niemand würde in diesem Totenkopffelsen gern hausen.«
»Aus diesem Grund wählte er ihn als Heimstatt«, entgegnete Fafhad. Durch ein seitliches Loch fiel ein verirrter Sonnenstrahl in den gewundenen Gang und erhellte ihn einige Schritte weit.
»Ich erwarte eine bizarre Persönlichkeit«, fuhr Luxon gepresst fort. »Ist es etwa ein Stummer Großer mit zusammengenähten Lippen?«
»Es mag sein, wie du sagst – oder ganz anders«, entgegnete Fafhad mehrdeutig und tastete sich weiter voran. Luxons Waffen scharrten ab und zu gegen die Felswand. Unter den Sohlen schienen winzige Schlangen zu kriechen oder bleichhäutige Salamander. Nach einer Anzahl weiterer Schritte wurde es wieder heller, der Weg führte aufwärts, und plötzlich standen die Männer im Eingang zu einer Höhle.
Helles Licht flutete in zwei Bahnen ins Innere, erhellte aber nicht jeden Winkel des Raumes. Er war annähernd wie eine halbe Kugel geformt, mit zahlreichen Nischen, Vorsprüngen und natürlichen Säulen skurriler Art.
Das Licht fiel durch die beiden Augen des Totenkopffelsens herein. Auf einem flachen Stein knisterten und glühten die Reste eines kleinen Feuers. Aus dem Hintergrund schob sich eine Gestalt in einer dunklen, wallenden Kutte, den Kopf durch eine tief heruntergezogene Kapuze halb verhüllt. Nur die Augen funkelten ein wenig.
Eine kurze Folge von schrillen Pfeiflauten ertönte.
Gleichzeitig trat der Vermummte ins Licht, zog die Kapuze herunter und hielt seine Finger in die breite Lichtbahn. Auf einer Wandfläche über dem Herd zeichneten sich deutlich die Silhouetten der Finger und Handgelenke ab.
Fafhad sagte: »Mein Herr lässt dir sagen, dass es auch in Hadam Große gibt. Sie haben gewisse Dinge erfahren, weil ihre Späher auch neben dem Thron des Shallad stehen.«
Ohne große Überraschung blickte Luxon in das schmale, asketische Gesicht eines Stummen Großen. Noch immer konnte er sich eines deutlichen Gefühls des Abscheus nicht erwehren, wenn er die tief eingeschnittenen
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