Die Waffen nieder!
Verteilung von Erbswurst in Aussicht stellen; das wäre aber etwas matt, also heißt es verblümt: »diejenigen Erholungen« und so weiter. Dabei kann sich jeder denken, was er will. Das Prinzip des in »Feindesland« zu findenden Kriegslohnes lebt im Soldatenstil noch fort .... Und wie wird Dir in »Feindesland« zu Mute sein, welches ja eigentlich Dein Stammland ist, wo Deine Freunde und Deine Vettern leben? Wirst Du Dich dadurch »erholen«, daß Du Tante Korneliens hübsche Villa dem Erdboden gleich machst? »Feindesland« – das ist eigentlich auch so ein fossiler Begriff aus jenen Zeiten, wo der Krieg noch unverholen das war, was seine raison d'être vorstellt; ein Raubzug; – und wo das Feindesland dem Streiter als lohnverheißendes Beuteland winkte ....
Ich spreche da mit Dir wie in den schönen Stunden, da Du an meiner Seite warst und wir, nach beendeter Lektüre irgendeines fortschrittlichen Buches, miteinander über die Widersprüche unserer Zeitzustände philosophierten, so einig, so einander verstehend und ergänzend. In meiner Umgebung ist niemand, niemand, mit dem ich über derlei Dinge reden könnte. Doktor Bresser war noch der einzige, mit welchem sich kriegsverdammende Ideen austauschen ließen, und der ist jetzt auch fort – selber in den verurteilten Krieg gezogen – aber um Wunden zu heilen, nicht um sie zu schlagen. Eigentlich auch ein Widersinn, die »Humanität« im Kriege – ein innerer Widerspruch. Das ist ungefähr so, wie die »Aufklärung« im Glauben. Entweder, oder – aber Menschenliebe und Krieg, Vernunft und Dogma, das geht nicht. Der aufrichtige, lodernde Feindeshaß, gepaart mit gänzlicher Verachtung des menschlichen Lebens – das ist des Krieges Lebensnerv, gerade so wie die fraglose Unterdrückung der Vernunft des Glaubens Grundbedingung ist. Aber wir leben in einer Zeit der Vermittlung. Die alten Institutionen und die neuen Ideen wirken gleich mächtig. Da versuchen denn die Leute, welche mit dem Alten nicht ganz brechen wollen, welche das Neue nicht ganz erfassen können, beides miteinander zu verschmelzen und daraus entsteht dieses verlogene, unkonsequente, widerspruchskämpfende, halbhafte Getriebe, unter welchem die wahrheits-, gradheits- und ganzheitsdurstenden Seelen so stöhnen und leiden ....
Ach, was ich da alles zusammenschreibe! Du wirst jetzt kaum – wie in unseren friedlichen Plauderstündchen – zu solch allgemeinen Betrachtungen aufgelegt sein: Du bist von einer grausigen Wirklichkeit umtost, mit der es sich abfinden heißt. Wieviel besser wäre es da, wenn Du sie hinnehmen könntest mit der naiven Auffassung alter Zeiten, da dem Soldaten das Kriegsleben eitel Lust und Wonne war. Und besser wäre es, ich könnte Dir schreiben, wie andere Frauen auch, Briefe von Segenswünschen und zuversichtlichen Siegesverheißungen und Mutanspornungen .... Die Mädchen werden ja gleichfalls zum Patriotismus erzogen, damit sie zu rechter Stunde den Männern zurufen: »Gehet hin und sterbet für euer Vaterland – das ist der ›schönste‹ Tod.« Oder: »Kehret liegend heim, dann wollen wir euch mit unserer Liebe lohnen. Inzwischen werden mir für euch beten. Der Gott der Schlachten, der unsere Heere beschützt, der wird unsere Gebete erhören. Tag und Nacht steigt unser Flehen zum Himmel auf und – gewiß – wir erstürmen uns seine Huld: Ihr kommt wieder – ruhmgekrönt! Wir zittern nicht einmal, denn wir sind eurer Tapferkeit würdige Genossinnen ... Nein, nein! – die Mütter eurer Söhne dürfen nicht feige sein, wenn sie ein neues Geschlecht von Helden heranziehen wollen; und müssen wir auch unser Teuerstes hingeben: für Fürst und Vaterland ist kein Opfer zu groß!«
Das wäre so der richtige Soldatenfrauen-Brief, nicht wahr? Aber nicht ein Brief, wie Du ihn von Deiner Frau zu lesen wünschest – von der Genossin Deines Denkens, von derjenigen, die den Groll gegen alten, blinden Menschenwahn mit Dir teilt .... O, ein Groll, so bitter, so schmerzlich – ich kann Dir's gar nicht sagen! Wenn ich sie mir vorstelle, diese beiden Heere, zusammengesetzt aus einzelnen vernünftigen und zumeist guten und sanften Menschen, – wie sie aufeinander losstürmen, um sich gegenseitig zu vernichten, dabei das unglückliche Land verheerend. wo sie als Spielkarten ihrer Mordpartie die »genommenen« Dörfer hinschleudern ... wenn ich mir das vorstelle, da wollte ich aufschreien: So besinnt euch doch! ... so haltet doch ein!! Und von hunderttausend würden auch
Weitere Kostenlose Bücher