Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
sitze an dem Tisch, worauf die geleerten Groggläser und eine brennende Kerze stehen. Beim schwachen flackernden Schein der letzteren (es weht von dem offenen Eingang ein Luftzug herein) schreibe ich Dir, mein geliebtes Weib. Auf mein Lager habe ich den Puxl hingelegt ... war der müd' der arme Kerl! Ich bereue fast, ihn mitgenommen zu haben; der ist auch, was die Unseren immer von der preußischen Landwehr behaupten: »an die Strapazen und Entbehrungen eines Feldzugs nicht gewöhnt«. Jetzt schnauft er wohlig und süß – ich glaube, er träumt, wahrscheinlich von seinem Freund und Gönner Rudolf Grafen Dotzky. Und ich träum' von Dir, Martha ... Zwar bin ich wach; aber täuschend, wie ein Traumbild, sehe ich Deine liebe Gestalt in jener halbdunklen Zeltecke auf einem Feldstuhl sitzen .... Welche Sehnsucht ergreift mich, dort hinzugehen und mein Haupt in Deinen Schoß zu legen. Ich tu' es aber nicht, weil ich weiß, daß dann das Bild zerflattern würde ....
    Ich trat einen Augenblick hinaus. Die Sterne flimmern gleichgültiger als je. Auf dem Boden huschen verschiedene Schatten: es sind Nachzügler. Viele, viele blieben unterwegs zurück; jetzt haben sie sich, vom Wachtfeuer angezogen, hierher geschleppt. Aber nicht alle – manche liegen noch in einem entfernten Graben oder Kornfeld. Das war aber auch eine Hitze, während dieses forcierten Marsches! Die Sonne brannte, als wollte sie uns das Hirn zum Sieden bringen; dazu der schwere Tornister, das schwerere Gewehr auf den wundgewetzten Schultern ... und doch, es hat keiner gemurrt. Aber hingefallen sind ein paar, und konnten nicht wieder aufstehen. Zwei oder drei erlagen dem Sonnenstich und blieben gleich tot. Ihre Leichen wurden auf einen Ambulanzkarren geladen.
    Die Juninacht, so mond- und sterndurchleuchtet, so warm sie auch ist, ist doch entzaubert. Man hört keine Nachtigallen und keine zirpenden Grillen; man atmet keine Rosen- und Jasmingerüche. Die süßen Laute werden durch die schnarrenden und wiehernden Pferde, durch die Stimmen der Leute und das Geräusch der Patrouillenschritte unterdrückt; die süßen Gerüche durch Juchten-Sattelzeug- und sonstige Kasernenausdünstungen überduftet. Aber das ist noch alles nichts: noch hört man nicht festende Raben krächzen, noch riecht man nicht Pulver, Blut und Verwesung. Das alles kommt erst – ad majorem patriae gloriam . Merkwürdig, wie blind die Menschen sind! Anläßlich der einst »zur größeren Ehre Gottes« entflammten Scheiterhaufen brechen sie in Verwünschungen über blinden und grausamen, sinnlosen Fanatismus aus, und für die leichenbesäeten Schlachtfelder der Gegenwart sind sie voll Bewunderung. Die Folterkammern des finsteren Mittelalters flößen ihnen Abscheu ein – Auf ihre Arsenale aber sind sie stolz .... Das Licht brennt herab, die Gestalt in jener Ecke hat sich verflüchtigt – ich will mich auch zur Ruhe legen, neben unseren guten Puxl.«
    * * *
    »Auf einem Hügel oben, in einer Gruppe von Generälen und hohen Offizieren, mit einem Feldstecher am Auge: das ist die an ästhetischen Eindrücken ergiebigste Situation in einem Kriege. Das wissen auch die Herren Schlachtenbummler und Zeitungsillustratoren: bewaffneten Auges rundschauende Feldherren auf einer Anhöhe werden immer wieder gezeichnet – ebenso oft, wie die an der Spitze ihrer Truppen auf einem möglichst weißen, hochtrabenden Pferde voranstürmenden Führer, welche, den Arm nach einem rauchenden Punkt des Hintergrundes ausgestreckt, den Kopf zu den Nachsprengenden umgewendet, offenbar rufen: »Mir nach, Kinder!«
    Von der Hügelstation herab sieht man wahrlich ein Stück Kriegspoesie. Das Bild ist großartig und weit genug entfernt, um wie ein richtiges Gemälde zu wirken, ohne die Schrecken und Ekelhaftigkeiten der Wirklichkeit: kein fließendes Blut, kein Sterberöcheln – nichts als erhaben prächtige Linien- und Farbeneffekte. Diese auf der langgestreckten Straße sich fortschlängelnde Heersäule, dieser unabsehbare Zug von Fußvolkregimentern, von Kavallerieabteilungen und Batterien; dann der Munitionstrain, requirierte Bauernwagen, Packpferde und hinterher noch der Troß. Noch gewaltiger gestaltet sich das Bild, wenn auf der unter dem Hügel ausgebreiteten Landschaft nicht nur die Fortbewegung eines , sondern der Zusammenstoß zweier Heere zu sehen ist. Wie da die blitzenden Klingen, die flatternden Fahnen, die Uniformen aller Art, die sich bäumenden Rosse gleich wildempörten Fluten durcheinander wogen; darüber

Weitere Kostenlose Bücher