Die Waffen nieder!
streckte er seine Gliedmaßen, schnaufte tief auf und – hatte aufgehört zu sein. Armer Puxl – es ist besser so!«
* * *
»Was habe ich heute alles gesehen? Wenn ich die Augen schließe, tritt das Geschaute mit furchtbarer Klarheit vor das Gedächtnis: »Nichts als Schmerz und Schreckbilder!« wirst Du sagen. Warum bringen denn andere vom Kriege so frische, fröhliche Eindrücke mit. Je nun, diese anderen verschließen sich gegen den Schmerz und den Schreck – verschweigen sie. Wenn sie schreiben, wenn sie erzählen, so geben sie sich überhaupt keine Mühe, die Erlebnisse nach der Natur zu schildern, sondern sie befleißigen sich, einst gelesene Schilderungen schablonenhaft nachzubilden und diejenigen Empfindungen hervorzukehren, welche als heldenhaft gelten. Wenn sie mitunter auch von Vernichtungsszenen berichten, welche den ärgsten Schmerz und den ärgsten Schreck in sich bergen, in ihrem Tone darf von beiden nichts enthalten sein. Im Gegenteil: je schauerlicher, desto gleichgültiger – je abscheulicher, desto unbefangener. Mißbilligung, Entrüstung, Empörung? Davon schon gar nichts da noch eher ein leiser Anhauch sentimentalen Mitleids, ein paar gerührte Seufzer. – Aber schnell wieder den Kopf in die Höhe, »das Herz zu Gott und die Faust auf den Feind.« Hurra und Trara!
Da siehst Du nun zwei Bilder, die sich mir eingeprägt:
Steile, felsige Anhöhen – katzenbehend hinaufkletternde Jäger; es gilt, die Anhöhe zu »nehmen«; – von oben schießt der Feind herab. Was ich sehe, sind die Gestalten der emporstrebenden Angreifer und einige darunter, die, von feindlichen Geschossen getroffen, plötzlich beide Arme ausstrecken, das Gewehr fallen lassen und, mit dem Kopf nach rückwärts sich überschlagend, die Anhöhe hinabstürzen – stufenweise – von Felsvorsprung zu Felsvorsprung – sich die Glieder zerschmetternd. – Ich sehe einen Reiter in einiger Entfernung schief hinter mir, neben welchem eine Granate platzt. Sein Pferd wirft sich zur Seite und drängt sich an das Hinterteil des meinen – dann schießt es an mir vorbei. Der Mann sitzt noch im Sattel, aber ein Granatsplitter hat ihm den Unterleib auf- und alle Eingeweide herausgerissen. Sein Oberkörper hält mit dem Unterkörper nur noch durch das Rückgrat zusammen – von den Rippen zu den Schenkeln ein einziges großes, blutiges Loch ... Eine kleine Strecke weiter fällt er herab, bleibt mit dem Fuß im Bügel hängen, und das fortrasende Pferd schleift ihn auf dem steinigen Boden nach.« –
* * *
»Auf einem regendurchschwemmten und steilen Stück Weg staut sich eine Abteilung Artillerie. Bis über die Räder versinken die Geschütze in den Schlamm. Nur mit äußerster Anstrengung, schweißtriefend und von den erbarmungslosesten Schlägen angefeuert, kommen die Pferde von der Stelle. Aber eins, schon todmüde, kann nicht mehr. Das Hauen hilft nichts: es wollte ja – es kann nicht, es kann nicht. Sieht denn das der Mann nicht ein, dessen Hiebe auf den Kopf des armen Tieres hageln? Wäre der rohe Wicht der Fuhrmann eines zu irgendwelchem Bau dienenden Steinwagens gewesen, jeder Polizist – ich selber – hätte ihn arretiert. Dieser Kanonier jedoch, der das todbeladene Fuhrwerk vorwärts bringen sollte, der waltete nur seines Amtes. Das konnte aber das Pferd nicht wissen; das geplagte, gutmütige, edle Geschöpf, das sich bis zu seiner äußersten Lebenskraft angestrengt – wie mußte das über solche Härte und über solchen Unverstand in seinem Innern denken? Denken, so wie Tiere denken, nämlich nicht mit Worten und Begriffen, sondern mit Empfindungen, desto heftigere Empfindungen, als sie äußerungsunfähig sind. Nur eine Äußerung gibt es dafür: den Schmerzensschrei. Und es hat geschrien, jenes arme Roß, als es endlich zusammensank – einen Schrei, so langgedehnt und klagend, daß er mir noch im Ohre gellt – daß er mich die folgende Nacht im Traume verfolgt hat. Ein abscheulicher Traum übrigens ... Mir war, als sei ich – – wie soll ich das nur erzählen? – Träume sind so sinnlos, daß die dem Sinn angepaßte Sprache sich schwer zu ihrer Wiedergabe eignet – als sei ich das Kummerbewußtsein eines solchen Artilleriepferdes – nein! nicht eines, sondern von 100 000 – denn rasch hatte ich im Traum die Summe der in einem Feldzug zu Grunde gehenden Pferde berechnet – und da steigerte sich dieser Kummer sofort ins hunderttausendfache ... Die Menschen, die wissen doch, warum ihr Leben der Gefahr
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