Die Waffen nieder!
Pferd und Knie an Knie; die Säbel sausten in die Höhe und kamen auf die Köpfe nieder. Bald waren alle zu dicht in einander geraten, um die Waffen zu gebrauchen; da wurde Brust um Brust gerungen, wobei die scheu und wild gewordenen Pferde schnaufend stürzten, sich bäumten und um sich schlugen. Ich war auch einmal zu Boden und sah – das ist kein angenehmer Anblick – schlagende Pferdehufe eine Linie weit von meiner Schläfe entfernt.«
»Wieder ein Marschtag mit ein oder zwei Gefechten. Ich habe einen großen Kummer erlebt. Es verfolgt mich ein so trauriges Bild ... Unter den vielen Trauerbildern, die mich rings umgeben, sollte dies nicht auffallen, sollte mir nicht so weh tun. Aber ich kann nichts dafür: es geht mir nahe, und ich kann es nicht los werden ... Puxl, unser armes, lebensfrohes, gutes Pintschel – ach, hätte ich ihn doch zu Hause gelassen, bei seinem kleinen Herrn, Rudolf: Er lief uns nach, wie gewöhnlich. Plötzlich stößt er ein jammervolles Geschrei aus ... ein Granatsplitter hat ihm die Vorderbeinchen abgerissen ... Er kam nicht nach – verlassen bleibt er zurück und »lebt noch«; vierundzwanzig und achtundvierzig Stunden vergehen und er lebt noch. – Mein Herrl – mein gutes Herrl, ruft er mir klagend nach, laß den armen Puxl nicht da! und sein kleines Herz bricht ... Was besonders an mir nagt, ist der Gedanke, daß das sterbende treue Geschöpf mich verkennen muß. Er hat es gesehen, daß ich mich umgewendet – daß ich seinen Hilferuf vernommen haben mußte und doch so kalt und hart ihn liegen ließ. Er weiß es ja nicht, der arme Puxl, daß einem zur Attacke vorstürmenden Regiment, aus dessen Reihen die Kameraden fallen und am Wege bleiben, nicht eines gefallenen Hündchens wegen »Halt« kommandiert werden kann? Von einer höheren Pflicht, der ich gehorchte, hat er keinen Begriff, und das arme, so treue Hundeherz klagt mich der Unbarmherzigkeit an ...
Daß man inmitten der »großen Ereignisse« und der Riesenunglücksfälle, welche die Gegenwart erfüllen, über solche Kleinigkeiten sich betrüben kann! würden viele – nicht du, Martha – achselzuckend sagen. Nicht du – ich weiß, dir tritt jetzt auch eine Träne ins Auge um unseren armen Puxl.«
»Was geschieht da? Das Exekutions-Peloton wird aufgestellt. Ward ein Spion gefangen? Einer? ... Diesmal siebzehn. Dort kommen sie schon. In vier Reihen, je zu vier Mann, von einem Karree Soldaten umgeben, schreiten die Verurteilten, gesenkten Kopfes, daher. Dahinter ein Wagen, worin eine Leiche liegt und darauf sitzend, an die Leiche gebunden, der Sohn des Toten, ein zwölfjähriger Knabe – auch verurteilt ...
Ich mag die Hinrichtung nicht sehen und entferne mich. Aber die Schüsse habe ich vernommen ... Hinter der Mauer steigt eine Rauchwolke auf – alle hin, auch der Knabe.« – –
Endlich ein bequemes Nachtquartier in einem kleinen Städtchen! Das arme Nest! ... Vorräte, die den Leuten auf Monate hinaus genügen würden, haben wir ihnen durch Requisition fortgenommen. »Requisition« ... es ist nur gut, wenn man für ein Ding einen hübschen sanktionierten Namen hat. Ich war aber doch froh, das gute Nachtlager und das gute Nachtessen gefunden zu haben. Und – laß Dir erzählen: Schon wollte ich mich zu Bett legen, als mir meine Ordonnanz meldet: ein Mann von unserem Regiment sei da und verlangte dringend, eingelassen zu werden, er bringe mir etwas. »So soll er kommen.« Der Mann trat ein –
Und als er wieder ging, da hatte ich ihn reich beschenkt und ihm beide Hände geschüttelt und ihm versprochen, für sein Weib und Kind zu sorgen, falls ihm etwas geschähe. Denn was er mir gebracht hat, der Brave – das hat mir eine große Freude gemacht und mich von einer Pein befreit, unter der ich seit sechsunddreißig Stunden litt – was er mir gebracht hat: das war mein Puxl. Verwundet zwar – ehrenvoll blessiert – aber noch lebend und so selig , wieder bei seinem Herrn zu sein, an dessen Benehmen er wohl erkannt haben mußte, daß er ihm mit dem Vorwurf der Lieblosigkeit unrecht getan ... Ja, war das eine Wiedersehensszene! Vor allem ein Trunk Wasser. Wie das schmeckte ... das heißt, zehnmal unterbrach er das gierige Trinken, um mir seine Freude vorzubellen. Hierauf habe ich ihm seine Beinstummel verbunden, ihm ein schmackhaftes Souper von Fleisch und Käse vorgesetzt und ihn auf mein Lager gebettet. Wir haben beide gut geschlafen. Des Morgens, als ich erwachte, leckte er mir nochmals dankend die Hand – dann
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