Die Waffen nieder!
Nicht um die Meinen – denn wir Österreicher waren ja vorläufig aus dem Spiele; im Gegenteil: uns sollte ja möglicherweise »Satisfaktion« geboten werden – die bekannte Sadowa-Rache. Aber wir hatten es verlernt, den Krieg vom nationalen Standpunkt aus zu betrachten, und was er vom menschlichen, vom edelmenschlichen ist – daß weiß man ja. Das drücken folgende Worte aus, die ich einst aus dem Munde Guy de Maupassants gehört:
»Quand je songe seulement à ce mot ›la guerre‹ – il me vient un effacement, comme si l'on me parlait de sorcellerie, d'inquisition,d'une chose lointaine, finie, abominable, contre nature« ...
Als die Nachricht eintraf, daß Prim dem Prinzen Leopold die Krone angetragen, hielt der Herzog von Grammont im Parlament eine mit großem Beifall aufgenommene Rede, ungefähr nachstehenden Inhalts:
»Wir mischen uns nicht in fremde Angelegenheiten, aber – wir glauben nicht, daß die Achtung vor den Rechten eines Nachbarstaates uns verpflichtet, zu dulden, daß eine fremde Macht, indem sie einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V. setzt, zu unserem Schaden das bestehende Gleichgewicht der Kräfte von Europa (O dieses Gleichgewicht – welcher kriegsdurstige Heuchler hat diese hohle Phrase erfunden?) störe und die Interessen, die Ehre Frankreichs in Gefahr bringe.«
Ich kenne ein Märchen von George Sand, genannt Gribouille. Dieser Gribouille hat die Eigenheit, wenn Regen droht, sich aus Furcht vor dem Naßwerden in den Fluß zu stürzen. Wenn ich höre, daß der Krieg angetragen wird, um drohenden Gefahren vorzubeugen, so muß ich immer an Gribouille denken. Wohl hätte ein ganzer Hohenzollernstamm sich auf Karls V. und noch auf verschiedene andere Throne setzen können, ohne Frankreichs Interessen und Frankreichs Ehre nur den tausendsten Teil von dem Schaden zuzufügen, der ihnen aus dem klugen »Das können wir nicht dulden« erwachsen ist.
»Dieser Fall,« fuhr der Redner fort, »wir hegen die feste Zuversicht, wird nicht eintreten. Wir rechnen in dieser Beziehung auf die Weisheit des deutschen und auf die Freundschaft des spanischen Volkes. Sollte es anders kommen – dann , meine Herren, werden wir wissen, stark durch Ihre Unterstützung und die der Nation, unsere Pflicht ohne Schwanken und ohne Schwäche zu tun.« (Stürmisches Bravo.)
Von da ab beginnt die Kriegshetze in der Presse. Besonders ist es Girardin, welcher seine Landsleute nicht genug anfeuern kann, die unerhörte Kühnheit, welche in dieser Thronkandidatur liege, gehörig zu züchtigen. Es wäre gegen alle Würde Frankreichs, wenn es da nicht sein Veto einlegte ... freilich, Preußen wird nicht nachgeben, denn es ist ihm daran gelegen, dem Wahnsinnigen, den Krieg heraufzubeschwören. Durch seine Erfolge von 1866 berauscht, glaubt es, jetzt auch über den Rhein seine Sieges- und Raubzüge machen zu dürfen – aber da sind wir da, Gott sei Dank, solche Gelüste den übermütigen Spitzhelmen zu vertreiben. ... In diesem Tone geht es fort. Napoleon III. zwar, wie wir durch ihm nahestehende Personen erfahren, wünscht nach wie vor die Erhaltung des Friedens; aber in seiner Umgebung finden die meisten, daß ein Krieg jetzt unvermeidlich sei, daß – da man im Volke ohnehin mit der Regierung unzufrieden – das beste, was man tun könne, um sich den Respekt des ruhmsüchtigen Landes zu sichern, ein glücklicher Krieg wäre: »il faut faire grand« .
Nun wird in der Runde bei anderen europäischen Kabinetten über die Angelegenheit angefragt. Jedes erklärt, daß es den Frieden wünsche. In Deutschland wird ein aus Volkskreisen stammendes Manifest veröffentlicht, welches unter anderem auch von Liebknecht unterzeichnet ist, worin es heißt, »der bloße Gedanke an einen deutsch-französischen Krieg sei ein Verbrechen«. Bei dieser Gelegenheit erfahre ich und kann es in mein Friedensprotokoll eintragen: »daß eine Verbindung mit Hunderttausenden von Mitgliedern existiert, welche die Abschaffung aller Vorurteile des Standes und der Nation zum Programmpunkt erhoben hat.«
Benedetti erhält die Mission, den König von Preußen aufzufordern,. daß dieser dem Prinzen Leopold die Annahme der Krone verbiete. König Wilhelm befand sich augenblicklich zur Kur in Ems – Benedetti begibt sich dahin und erhält am 9. Juli eine Audienz.
Wie wird der Ausgang sein? Ich erwarte die Nachricht mit Zittern.
Die Antwort des Königs lautet einfach: daß er einem volljährigen Prinzen nichts verbieten könne.
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