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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Formen und in Tönen, das blitzt und poltert, das funkelt und tost »mort aux Prussiens« . – Oder mit anderen Worten – dann klingt es freilich wie ein Ruf der Liebe und durchglüht auch weiche Herzen – »pour la patrie!« – aber es ist dennoch dasselbe.
    Ich fragte Friedrich:
    »Du bist doch preußischer Abstammung – wie berühren dich diese von allen Seiten laut werdenden feindlichen Gesinnungen?«
    »Dieselbe Frage hast du schon im Jahre 1866 an mich gerichtet – und damals antwortete ich dir – wie auch heute – daß ich unter diesen Hassesäußerungen nicht als Landesangehöriger, sondern als Mensch leide. Fasse ich die Gesinnungen der Leute hier vom nationalen Standpunkt auf, so kann ich ihnen nur recht geben; sie nennen es la haine sacrée de l'ennemi – und diese Regung bildet einen wichtigen Bestandteil des kriegerischen Patriotismus. In diesem einen Gedanken gehen sie nun auf: ihr Land von dem feindlichen Einfall wieder zu befreien. Daß sie die Einfallenden auch durch ihre Kriegserklärung gerufen – das vergessen sie. Sie haben es ja auch nicht selber getan, sondern ihre Regierung, welcher sie aufs Wort geglaubt, daß sie es tun mußte, und jetzt verlieren sie keine Zeit mit Vorwürfen, mit Erwägungen, wer das Unglück heraufbeschworen; es ist nun einmal da und alle Kraft, alle Begeisterung wird darauf verwendet, es wieder abzuwenden, oder mit sorglosem Opfermut vereint zu Grunde zu gehen. Glaube mir, es liegt viel edle Liebesfähigkeit in uns Menschenkindern, schade nur, daß wir sie in den alten Feindschaftsgeleisen vergeuden ... Und drüben, die gehaßten, die einfallenden, die »rothaarigen, östlichen Barbaren« – was tun die? Sie sind herausgefordert worden und sie dringen in das Land derjenigen ein, welche das ihre zu überfallen drohten: »á Berlin, á Berlin!« Erinnerst du dich noch, wie dieser Ruf die ganze Stadt durchschallte, sogar von den Dächern der Omnibusse herab?«
    »Nun marschieren jene ›nach Paris!‹ Warum rechnen ihnen das die »á Berlin « Rufer als Verbrechen an?«
    »Weil es keine Logik und keine Gerechtigkeit geben kann in jenem Nationalgefühl, dessen oberster Grundsatz der ist: Wir sind wir – das heißt die ersten, die anderen sind Barbaren. Und jener Vormarsch der Deutschen von Sieg zu Sieg flößt mir Bewunderung ein. Ich bin doch auch Soldat gewesen und weiß, was an dem Begriffe Sieg für ein Zauber haftet, welcher Stolz, welcher Jubel da hineingelegt wird. Ist es doch das Ziel, der Lohn für alle gebrachten Opfer, für den Verzicht auf Ruhe und Glück, für das eingesetzte Leben.«
    »Warum bewundern aber die überwundenen Gegner, die ja doch auch Soldaten sind und wissen, welcher Ruhm den Sieg begleitet, warum bewundern die ihre Überwinder nicht? Warum heißt es niemals in einem Schlachtbericht der verlierenden Partei: Der Feind hat einen glorreichen Sieg errungen!?«
    »Weil – ich wiederhole es – der Kriegsgeist und der patriotische Egoismus die Verneinung aller Gerechtigkeit ist.«
    So kam es – ich sehe es aus allen unseren in den roten Heften eingetragenen Gesprächen aus jenen Tagen – daß wir an gar nichts anderes dachten, denken konnten, als an den Verlauf des gegenwärtigen Völkerduells.
    Unser Glück, unser armes Glück – wir hatten es, aber wir durften es nicht genießen. Ja, alles besaßen wir, was uns einen lieblichen Himmel auf Erden schaffen konnte: grenzenlose Liebe, Reichtum, Rang, den herrlich sich entwickelnden Knaben Rudolf, unser Herzenspüppchen Sylvia, Unabhängigkeit, reges Interesse an der Welt des Geistes ... aber das alles war wie hinter einen Vorhang gestellt. Wie durften, wie konnten wir an unseren Freuden uns laben, während um uns alles litt und zitterte, schrie und tobte? Das ist, als wollte man sich recht gütlich tun an Bord eines sturmgepeitschten Schiffes.
    »Ein theatralischer Mensch, dieser Trochu,« berichtete mir Friedrich eines Tages – es war am 25. August – »Was wurde heute für ein Effekt-Coup ausgeführt? Darauf verfällst du nimmer.«
    »Die Frauen zum Militärdienst einberufen?« riet ich.
    »Um Frauen handelt es sich wohl, aber sie sind nicht einberufen – im Gegenteil.«
    »Also die Marketenderinnen abgeschafft – oder die barmherzigen Schwestern?«
    »Noch immer nicht erraten. Abschaffung ist zwar dabei – und Marketenderinnen, insofern sie den Becher der Lust reichen, und barmherzig – in gewissem Sinn – sind die Abgeschafften auch; kurz – ohne weitere Charade: die Demimonde

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