Die Waffen nieder!
– die Schlächterei ist aus!«
»Frohlocke nicht zu früh, mein Schatz,« mahnte Friedlich. »Dieser Krieg hat schon lange nicht mehr den Charakter einer auf dem Brette der Schlachtfelder gekämpften Partie – die ganze Nation kämpft mit. Für eine vernichtete Armee werden zehn neue aus dem Boden gestampft.«
»Wäre denn das gerecht? Es sind doch nur deutsche Soldaten ins Land gedrungen, nicht das deutsche Volk – also kann man ihnen nur wieder französische Soldaten gegenüberstellen.«
»Daß du immer wieder an Gerechtigkeit und Vernunft appellierst – du Unvernünftige – einem Rasenden gegenüber. Frankreich rast vor Schmerz und Zorn, und vom Standpunkt der Vaterlandsliebe ist sein Schmerz heilig, sein Zorn gerechtfertigt. Was sie nun auch Verzweifeltes tun – persönliche Ichsucht ist nicht dabei, sondern höchster Opfermut. Wenn nur die Zeit schon da wäre, wo die Tugendkraft, die dem Menschenverbande innewohnt, von der Vernichtungsarbeit ab- und der Beglückungsarbeit zugewendet würde! Aber dieser unselige Krieg hat uns von diesem Ziele wieder ein gutes Stück zurückgeschleudert.«
»Nein, nein – ich hoffe, der Krieg ist jetzt zu Ende.« »Wenn auch (was ich übrigens bezweifle), es sind die Saaten zu künftigen Kriegen gestreut – und wäre es nur die Hassessaat, welche die Ausweisung der Deutschen enthält. So etwas wirkt weit über das lebende Geschlecht hinaus.«
Der 4. September. Wieder ein Gewaltakt, ein Leidenschaftsausbruch – und zugleich wieder ein Heilmittel zur Rettung des Vaterlandes: der Kaiser wird abgesetzt. Frankreich erklärt sich als Republik. Was Napoleon III. und seine Armee getan: es gilt nicht. Fehltritte, Verrat, Feigheit – das alles haben einige Personen – der Kaiser und seine Generäle – verbrochen; das hat nicht Frankreich getan, dafür ist es nicht verantwortlich. Indem der Thron gestürzt ward, hat man die Blätter, worauf Metz und Sedan verzeichnet stehen, einfach aus dem Buche von Frankreichs Geschichte herausgerissen. Jetzt erst wird das Land selber Krieg führen, wenn anders Deutschland es wagt, die verruchte Invasion fortzusetzen ....
»Wie aber, wenn Napoleon gesiegt hätte?« fragte ich, als mir Friedrich obige Mitteilungen gemacht.
»Dann hätten sie seinen Sieg und seinen Ruhm als des Landes Sieg und Ruhm aufgefaßt.«
»Ist das gerecht?«
»Kannst du dir diese Frage denn nicht abgewöhnen?«
Meine Hoffnung, daß die Katastrophe von Sedan den Feldzug zu seinem Ende gebracht, mußte ich bald schwinden sehen. Alles um uns gebärdete sich kriegerischer als je. Die Luft war mit wildem Groll und heißer Rachgier geladen. Groll gegen den Feind und beinahe ebenso gegen die gestürzte Dynastie. Die Schmähreden, die Pamphlete, die jetzt auf Kaiser und Kaiserin und auf die unglücklichen Feldherren regneten, die Verdächtigungen und Verleumdungen, der Schimpf, der Spott –: es war ekelerregend. Da glaubte die rohe Menge die ganze Niederlage vom Lande auf ein paar Menschen abzuwälzen; und nun diese Menschen zu Boden lagen, bewarf man sie mit Kot und Steinen – und jetzt erst würde das Land es zeigen, daß es unüberwindlich sei.
Die Vorbereitungen zur Verschanzung von Paris werden eifrig fortgesetzt. Die Gebäude in dem Gefechtsbereich der Haupt-Enceinte werden geräumt oder gar eingerissen. Die Umgebung wird zur Einöde. Truppen von Menschen ziehen von draußen mit ihrem Haushalt in die Stadt. O diese traurigen Züge von Wagen und Packpferden und beladenen Menschen, die da die Trümmer ihrer aufgestörten Herde durch die Straßen wälzen! Das hatte ich schon einmal in Böhmen gesehen, wo das arme Landvolk vor dem siegenden Feinde floh, und nun mußte ich in der fröhlichen, glänzenden Weltstadt das gleiche Jammerbild erschauen – es waren dieselben ängstlichen, trüben Mienen, dieselbe Mühseligkeit und Hast, dasselbe Weh.
Endlich, gottlob, wieder einmal eine gute Nachricht: Durch englische Vermittelung angeregt, wird in Ferrières eine Zusammenkunft zwischen Jules Favre und Bismarck veranstaltet. Da würde man doch zu einer Einigung, zu einem Friedensschluß gelangen!
Im Gegenteil! Die Kluft wird jetzt erst recht offenbar. Schon seit einiger Zeit wird von den deutschen Zeitungen die Besitznahme von Elsaß-Lothringen befürwortet. Man will das ehemals deutsche Land sich wieder einverleiben. Das historische Argument für den Anspruch auf diese Provinzen zeigt sich nur teilweise haltbar, daneben wird das strategische Argument vorgebracht:
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