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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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– mit Zeit- und Zärtlichkeitsaufwand – was die Engländer to woe and to win nennen. Aber minnen und gewinnen: dazu geben sich unsere jungen Herren wahrlich nicht die Mühe. Sie wollen ihr Glück nicht erst erringen, sondern es mühelos pflücken, wie eine Blume am Wegesrand!«
    Tilling war seit vierzehn Tagen nach Wien zurückgekehrt – so hatte ich erfahren – doch kam er nicht zu mir. In. den Salons konnte ich natürlich kaum erwarten, ihm zu begegnen, da ihn seine Trauer von allen gesellschaftlichem Umgang fern hielt. Doch hatte ich gehofft, daß er zu mir kommen oder wenigstens mir schreiben würde; es verging aber ein Tag um den andern, ohne mir den erwarteten Besuch oder Brief zu bringen.
    »Ich begreife nicht, was du hast, Martha,« so sprach mich eines Morgens Tante Marie an; »du bist seit einiger Zeit so verstimmt, so zerstreut, so, ich weiß nicht wie ... du hast sehr, sehr unrecht, daß du keinem deiner Bewerber Gehör schenkst. Dieses Alleinsein – das habe ich zu allem Anfang gesagt – taugt nicht für dich. Die Folge davon ist dieser Spleen, der dich jetzt auszeichnet. – Hast du schon deine österliche Andacht verrichtet? Das würde dir auch gut tun.«
    »Ich denke, beides: heiraten und beichten, sollte aus Liebe zur Sache getan werden und nicht als Spleenkur. – Von meinen Bewerbern gefällt mir keiner, und was das Beichten betrifft –«
    »So ist es höchste Zeit: morgen ist Gründonnerstag ... Hast du Billetts zur Fußwaschung?«
    »Ja – Papa hat mir welche verschafft – aber ich weiß wirklich nicht, ob ich gehen werde.«
    »O das mußt du – es gibt nichts Schöneres und Erhebenderes als diese Zeremonie ... der Triumph der christlichen Demut: Kaiser und Kaiserin auf dem Boden rutschend, um die Füße armer Pfründner und Pfründnerinnen zu waschen – symbolisiert das nicht so recht, wie klein und nichtig die irdische Majestät vor der göttlichen ist?«
    »Um durch Niederknien Demut sinnbildlich darzustellen, muß man sich eben sehr erhaben fühlen. Es drückt aus: was Gott Sohn im Verhältnis zu den Aposteln, das bin ich, Kaiser zu den Pfründnern. Mir kommt dieses Grundmotiv der Zeremonie nicht gerade demütig vor.«
    »Du hast kuriose Ansichten, Martha. In den drei Jahren, die du in ländlicher Einsamkeit und mit Lesen schlechter Bücher zugebracht hast, sind deine Ideen so verschroben worden.«
    » Schlechte Bücher?«
    »Ja, schlecht – ich halte das Wort aufrecht. Neulich, als ich in meiner Unschuld zum Erzbischof von einem Buch sprach, das ich auf deinem Tisch gesehen und das ich dem Titel nach für ein Andachtsbuch hielt: »Das Leben Jesu« von einem gewissen Strauß – da schlug er die Hände über dem Kopf zusammen und rief: ›Barmherziger Himmel, wie kommen Sie zu so einem ruchlosen Werk?‹ Ich wurde ganz feuerrot und versicherte, daß ich das Buch nicht selber gelesen, sondern nur bei einer Verwandten gesehen. ›Dann fordern Sie diese Verwandte bei ihrer Seligkeit auf, diese Schrift ins Feuer zu werfen.‹ Das tue ich hiermit, Martha. Wirst du dies Buch verbrennen?«
    »Wären wir um zwei- oder dreihundert Jahre jünger, so könnten wir zusehen, wie nicht nur das Werk, sondern auch der Autor in Flammen aufginge. Das wäre wirksamer – momentan wirksamer – auch nicht für lang'...«
    »Du antwortest mir nicht. Wirst du das Buch verbrennen?«
    »Nein.«
    »So kurzweg nein?« »Wozu lange Reden? Wir verstehen einander in dieser Richtung doch nicht, mein liebstes Tantchen. Laß dir lieber erzählen, was gestern der kleine Rudolf ...«
    Und damit war das Gespräch glücklich auf ein anderes, sehr ergiebiges Thema gelenkt, wo es zu keiner Meinungsverschiedenheit zwischen uns kam; denn über die Tatsache, daß Rudolf Dotzky das herzigste, originellste, für sein Alter vorgeschrittenes Kind der Welt ist – darüber waren wir beide einig.
    Am folgenden Tag entschloß ich mich doch, der Fußwaschung beizuwohnen. Etwas nach zehn Uhr, schwarz gekleidet, wie es sich für die Karwoche ziemt, begaben wir uns, meine Schwester Rosa und ich, in den großen Zeremoniensaal der Burg. Daselbst waren auf einer Estrade Plätze für die Mitglieder der Aristokratie und des diplomatischen Korps vorbehalten. Man war da also wieder unter sich und teilte rechts und links Grüße aus. Auch die Galerie war dicht gefüllt: gleichfalls Bevorzugte, welche Eintrittskarten erlangt hatten – aber doch etwas »gemischt«, nicht zur »Creme« gehörig, wie wir da unten, auf unserer Estrade. Kurz,

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